Platin aus dem Kat in den Mensch

Internationale Untersuchungen belegen die Belastung der Umwelt durch Platin aus Katalysatoren. Verdachtsmomente für Gesundheitsgefährdung, aber kaum abgeschlossene Studien  ■ Von K.-P. Görlitzer

Berlin (taz) – Die Meßergebnisse Frankfurter Wissenschaftler, die in Böden neben Autobahnen drastisch erhöhte Platinkonzentrationen ermittelt haben (taz vom 7.7.), sind keine Ausnahmen. Auch Analysen von Straßen- und Tunnelstäuben in Großbritannien, Schweden, Japan und den USA bestätigen: Abgaskatalysatoren setzen erhebliche Mengen des seltenen Edelmetalls frei. Ein Forschungsüberblick, publiziert im US-Fachblatt Environmental Science & Technology, unterstreicht, daß in Gebieten mit hoher Verkehrsdichte bis zu zehnmal mehr Platin gefunden worden ist als an ruhigen Seitenstraßen.

Wie Platin auf die menschliche Gesundheit wirkt, konnte die internationale Wissenschaftlergemeinde bislang allerdings nicht eindeutig klären. Trotzdem liegt den deutschen ParlamentarierInnen seit März ein Anfangsverdacht vor, der alarmierend klingt: Platin sei einer der „Hauptschadstoffe“ von Kfz-Motoren, heißt es in der „Vorstudie Umwelt und Gesundheit“ des Büros für Technikfolgen- Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB).

Das TAB stützt sich auf ein Gutachten des GSF-Instituts für Epidemiologie. Autor Heinz- Erich Wichmann wird darin ein bißchen konkreter: Aus der Arbeitsmedizin sei bekannt, schreibt er, daß Platinmetalle allergische Erkrankungen wie Asthma, Kontaktdermatitis, Nesselsucht und Bindehautentzündungen auslösen können; zudem seien in Experimenten an Tieren schädigende Wirkungen auf Leber und Nieren beobachtet worden, das Knochenmark könne geschädigt werden, und krebserregende Wirkungen würden „ebenfalls für die Platinmetalle diskutiert“. Weitere Details erfährt man in dem Gutachten nicht – was offenbar auch daran liegt, daß über die nachteiligen Wirkungen von Kat-Autos, die immerhin schon seit über zehn Jahren auf Deutschlands Straßen fahren, kaum geforscht wurde.

Rudolf Schierl vom Institut für Arbeitsmedizin der Universität München hat immerhin 29 Busfahrer, 13 TÜV-Prüfer und 10 Taxifahrer untersucht, also Menschen, die verstärkt mit Autoabgasen in Berührung kommen. Ergebnis: „Bei den bisher emittierten sehr geringen Platinmengen ist eine Belastung im Urin von Exponierten nicht nachzuweisen.“ Zwar fand Schierl im Urin aller Studienteilnehmer Platin. Doch die Mengen seien so gering, daß sie nicht über der „normalen Belastung“ der Bevölkerung lägen. Woher der als „normal“ eingeschätzte Edelmetallpegel stammt, untersuchte der Münchner Forscher nicht.

Unumstritten ist: Wer platinhaltigen Staub einatmet, scheidet das Edelmetall beim nächsten Toilettengang nicht gleich wieder vollständig aus. Deshalb können Urin- Studien wichtige Fragen nicht beantworten: Wieviel Platin wird wie lange in welchen Organen gespeichert, etwa in Lunge, Leber und Nieren? Und was bewirkt der Stoff längerfristig im Körper?

Erste Hinweise könnten Versuche am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Aerosolforschung in Hannover liefern. Unter anderem mußten dort Ratten drei Monate lang eine platinhaltige Substanz einatmen, die die Emissionen aus einem Kat simuliert. Die Auswertung der Studie, sagt Fraunhofer- Forscherin Sabine Artelt, werde voraussichtlich im April 1998 vorliegen.