Die Aufmerksamkeit einer Lady

■ Die Hammoniale präsentierte zwei Band-Leaderinnen: Lily White und Irith Gabriely

Unverkrampfter Free-Jazz und gefühlvoller Klezmer standen am Donnerstag auf dem Programm der Hammoniale in den Kampnagelhallen.

Beim Konzert der New Yorker Saxophonistin Lily White mit ihrer Band fesselten vor allem die gruppendynamischen Prozesse auf der Bühne. Während Pianist Michael Jeffry Stevens (Typ Physiklehrer) und Drummer Eric Halvorson, von dem wir glauben, daß er im wirklichen Leben bei der AOK-Lauterbach schafft, eher am Rande der Geschehnisse blieben, spielten sich zwischen Bassist Tony Scherr, dem man leicht den Musiklehrer mit Zweitfach Sport abkaufen würde, und Gitarrist David Phelps – ein anämischer Vegetarier mit hüftlangen Schnittlauchlocken – ergreifende Szenen ab.

Auslöser war die burschikos verschmitzte Chefin der Gruppe. Die schenkte nämlich immer dem jeweiligen Solisten ihre ganze Aufmerksamkeit, was den jeweils anderen nicht wenig verdroß. Das Ringen um die Aufmerksamkeit der Lady führte, zum Glück für die Zuhörerinnen, zu manch hübschem und ausdauernden Solo.

Trotz Beziehungsstreß kam die Musik locker und cool über die Rampe. Die Stücke klangen voll und wurden handwerklich einwandfrei dargebracht. Klassischer Free-Jazz zum entspannten Zuhören. Lily White handhabte ihre Gießkannen gerade so gut wie jeder Kerl, mit überblasenen Tönen und hellen Kicksern, wie es sich für ein Jazzsax gehört.

Musikalische Überraschungsmomente waren dagegen nur wenige zu verzeichnen. Die meisten kamen von dem ansonsten eher zurückhaltenden Eric Halvorson, der es verstand, seinen Drums einen Klang zu geben, den man bei anderen Schlagzeugern so noch nicht gehört hat: zart und sphärisch. Dazu bearbeitete er seine Instrumente mit den bloßen Händen und ließ das große Becken kontinuierlich im Kreis schwingen.

In der großen Halle K6 bemühte sich zur gleichen Zeit die in Haifa geborene Klarinettistin Irith Gabriely, die spröden Hamburger in gefühlvolle Stimmung zu bringen. Unterstützt von Barbara Witzel an der Geige, Martin Wagner am Ackordeon und Johannes Malolepssy am E-Baß klezmerisierte die Frau mit den braunen Kulleraugen selbst so populäre Schnulzen wie Donna, Donna, Don.

Iris Schneider