Jung, fett, nicht geschlechtsreif

■ Gestern wurde die diesjährige Matjes-Saison eröffnet / Zubereitungsmethoden des leckeren Herings von Region zu Region verschieden Von Herdis Lüke

Seit gestern schallt es wieder lautstark auf allen Marktständen: „Frischer Matjes, frischer Matjes!“ Fischliebhaber haben sich seit Wochen auf den Saisonbeginn für den begehrten Junghering gefreut, den uns die Holländer schon vor über 500 Jahren bescherten. 100  Millionen Filets verzehren die Deutschen im Jahr, umgerechnet 10 000 Tonnen, erzählt der Bremer Fischhändler und Vorsitzende des Fachverbandes Der Fischfachhandel, Peter Koch-Bodes, der gestern in Bremen die Saison bundesweit eröffnete.

Bereits eine Chronik von 709 nach Christus aus dem englischen Kloster Eveham enthält eine Beschreibung des Herings und ein Rezept für seine Zubereitung. Besonders Holland, so Koch-Bodes, begann schon vor fast tausend Jahren mit dem regelmäßigen Fang des silbrigen Fisches und „Königs der Meere“.

Der holländische Steuermann Willem B. von Biervliet hat im 15. Jahrhundert die bis heute gültige Methode der Verarbeitung erfunden: Er verbesserte das Einsalzen der Heringe und „kehlte“ den Fisch. Gleich nach dem Fang werden Herz und Vorderdarm aus den Fischen entfernt, die Fische mit Salz bestreut und in hölzerne Fässer gepackt. Sogar Kaiser Karl V. huldigte dem holländischen Fisch-Genie, dessen Grab er 1556 persönlich besuchte.

Der Name Matjes, klärt Koch-Bodes Unkundige auf, heißt im Ursprung „junges Mädchen“: So ist der Matjes ein junger, fetter, noch nicht geschlechtsreifer Hering. „Fett, weil seine feinen Fettreserven noch nicht in Eier und Milch, die Geschlechtsprodukte, marschiert sind. Er befindet sich also in der höchsten jungfräulichen Reifephase. Das ist jedes Jahr von Mai bis Juli in den Fanggebieten in der dänischen und schottischen Nordsee der Fall.“ Matjes darf sich ein „salzgereifter Hering ohne Geschlechtsansatz nennen mit mindestens 14 Prozent Fett im Filet.“

Aber in Deutschland bürgerten sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Formen von Matjes ein: Einmal der in Holland übliche leicht gesalzene Matjes (LS Matjes). Der wird in der Regel gleich nach dem Fang gekehlt und die Eingeweide bis auf die Bauchspeicheldrüse herausgezogen. Deren Fermente lassen mit wenig Salz in einigen Tagen den Fisch zum Matjes reifen. Das Filet wird dann schockgefrostet.

Daneben gibt es den als Katerfrühstück besonders beliebten hart gesalzenen Matjes, der unter anderem im schleswig-holsteinischen Glückstadt produziert wird, wo am 15. Juni die „28. Matjeswoche“ eröffnet wird. Auch hier, so Koch-Bodes, haben einst die Holländer die Methode vermittelt: Man legt den frischen Hering in höhere Salzkonzentrationen ein, lagert ihn über mindestens 35 Tage in der Salz-Lake und „wässert ihn dann genußfähig“.

So unterschiedlich die Matjesangebote sind, so vielfältig sind auch die Rezepte, je nach Region. Der dem Endverbraucher üblicherweise als Doppelfilet angebotene Matjes sollte sich durch blankes, sahnefarbiges Fleisch und silberfarbige Haut auszeichnen. Nicht enthalten sollten hingegen Blutreste an der Innenseite, Gräten, Reste von Eingeweiden, Hautteile oder Schuppen sein. Der Fisch sollte leicht salzig riechen und schmecken, das Fleisch zart und fest sein.

Am besten verzehrt man ihn bei einer Temperatur von fünf bis zehn Grad. Auch nach dem Auftauen bleiben Geschmack und Aroma für einige Zeit voll erhalten – aber er sollte in der Packung gekühlt aufbewahrt werden. Die Preise für ein Matjesfilet liegen zwischen 1,90 und 3,90 Mark, wobei, so Koch-Bodes, die kleinen Filets die teureren sind, denn „je kleiner das Filet, desto zarter das Fleisch“.