Fordert Eure Zukunft!

■ Der sozialdemokratische Widerstandskämpfer Hellmut Kalbitzer eröffnet die Reihe „(Über-)Lebenswege“

Es ist noch nicht ein Monat vergangen, da durchbrach Hellmut Kalbitzer mit seiner erfrischenden Rede den steifen Ablauf des Staatsakts am 3. Mai 1945, dem 50. Jahrestag des Kriegsendes in Hamburg. „Beteiligung an politischem Leben ist kein Ballast, politische Bildung kein entbehrlicher Luxus. Das öffentliche Leben braucht die politische Aktion der Jugend Ä...Ü Fordert Eure Zukunft!“ Dieser Appell erhielt den Beifall der 20.000 Menschen auf dem Rathausmarkt. Auch weil bei diesem 81jährigen ehemaligen Politiker spürbar ist, daß bei ihm Politik und Moral nicht auseinanderklaffen.

Kalbitzer eröffnete am Montag abend die Veranstaltungsreihe (Über-)Lebenswege, organisiert von „Der Neuen Gesellschaft“ und der Geschichtswerkstatt St. Georg e.V. In einem Zyklus von Gesprächsabenden wollen die Veranstalter Menschen vorstellen und befragen, „die sich als Nazi-Gegner und -Verfolgte einen aufrechten Gang bewahrt haben“.

Hellmut Kalbitzer wurde 1913 in Hamburg geboren. Nach Abitur und Lehre, geprägt durch sein sozialdemokratisches Elternhaus, wurde er schon als Jugendlicher Mitglied im ISK, dem „Internationalen Sozialistischen Kampfbund“. Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten beteiligte er sich am Widerstand gegen das Hitler-Regime. Der Humanität verpflichtet, war es für Hellmut Kalbitzer selbstverständliche Pflicht, sich gegen die Kulturlosigkeit und den staatlichen Terror der Nationalsozialisten zu wehren. Im Dezember 1936 von der Gestapo verhaftet, verurteilte ihn das Hanseatische Oberlandesgericht im März 1938 zu zwei Jahren Gefängnis. Doch auch nach der Haft nahm er die konspirative Arbeit wieder auf, bahnte Verbindungen zu politischen Emigranten in London an.

Nach dem Krieg wurde er Mitbegründer der Gewerkschaften und der SPD in Hamburg. Er war Abgeordneter der ersten gewählten Bürgerschaft, langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestages, zeitweilig Vizepräsident des Europaparlaments.

Seinen 1987 erschienenen, leider vergriffenen Erinnerungen gab Hellmut Kalbitzer den Titel Widerstehen oder Mitmachen. Eine Frage, die dieser immer noch junge „Sozi“ für sich eindeutig beantwortet hat. Aufrichtigkeit und – im besten Sinne – Eigensinnigkeit zeichnen diesen im Auftreten bescheidenen Mann aus.

„Ich würde es heute genauso machen!“, lautete sein Fazit, auf ein von der Bereitschaft zum Handeln geprägtes Leben zurückblickend.

Wilfried Weinke

Informationen zu den weiteren Veranstaltungen erteilt „Die Neue Gesellschaft“, 44 75 25