Natur ja – aber bitte nicht hier

■ Streit um neue Schutzgebiete und Campingplätze auf der Ostseeinsel Fehmarn entzweit die Bevölkerung

Die kranke Ostsee muß geschützt werden – darin sind sich Naturschützer, Tourismusverbände, Campingplatzbetreiber und auch das Kieler Umweltministerium einig. Doch: Schutzgebiete um die eigene Insel, vor dem eigenen Campingplatz – nein, danke. Wenn Naturschutz etwa bedeutet, daß Geld bringende Surfer Abstand halten oder Campingplätze verlegt werden müssen, wächst der Widerstand vor Ort.

Zum Beispiel auf der Ostseeinsel Fehmarn. Das Land will hier Schutzgebiete ausweisen – aber nur „im Konsens mit den Leuten vor Ort“, so der stellvertretende Umweltstaatssekretär Dieter Kesting. „Was das Land plant, ist eh nur ein Minimum“, kritisiert hingegen der BUND, denn: Es sollen weder Zäune gezogen noch Strände gesperrt werden. Kesting hofft auf die Einsicht der Surfer, Touristen und Campingplatzbetreiber.

Die Bevölkerung auf Fehmarn lehnt die geplanten Schutzgebiete ab. „Die Ausweisung eines Ostseeschutzgebietes schränkt die Küstenlinie um 62 Prozent ein“, meint der Bürgermeister Klaus Osterkamp. Er fürchtet, daß die Umweltschützer nach dem Schutzgebiet einen Naturpark und schließlich einen Nationalpark fordern. Zudem könne es sich die Insel, die immer mehr Konkurrenz von Rügen, Usedom und Hiddensee in Mecklenburg-Vorpommern bekommt, nicht leisten, ihre Urlauber zu verprellen. Daß die Ostsee geschützt werden muß, sehe man wohl ein, aber bitte nicht „von oben verordnet“ und schon gar nicht ohne finanzielle Entschädigungen.

Der BUND allerdings hält das Vorgehen der Landesregierung für zu defensiv. „Durch ihr stetiges Zurückweichen vor den Interessen vor Ort erweckt die Umweltministerin den Eindruck, als wären Umweltschutzbelange verhandelbar“, kritisiert Wolfgang Günther vom BUND. Die rasante Tourismusentwicklung sei eben nicht immer mit dem für die Rettung der Ostsee notwendigen Naturschutz in Einklang zu bringen.

Der BUND warnt vor allem vor der Halbherzigkeit und damit Unglaubwürdigkeit in Sachen Ostseeschutz. Vielfach würden ökologische Argumente zur Durchsetzung ganz anderer Ziele mißbraucht. Beim Widerstand gegen das Großbauprojekt „Scan-Link“, einer festen Querung von Puttgarden auf Fehmarn nach Rödby in Dänemark, hat sich schnell eine Allianz aus Naturschutzbund, Verkehrsklub und Fremdenverkehrsverein geschmiedet.

Während die einen das Vorhaben aus ökologischen Gründen ablehnen, stehen für die anderen handfeste wirtschaftliche Ziele im Vordergrund. Das Land denkt nun an einen Bahntunnel durch den Fehmarnbelt. Dagegen hätten die Naturschützer im Gegensatz zu ihren Mitstreitern eigentlich nichts einzuwenden. Doch: „Ein Bahntunnel ist nicht zu bezahlen, private Geldgeber sind nur am Straßenverkehr interessiert“, meint der BUND. Wenn der Tunnel erst beschlossen sei, sei jedoch auch der Weg zu einer Straßenquerung nicht mehr weit. Claudia Utermann