Gefühligkeiten in brennender Pappkulisse

■ Joe Kubert, der Meister ein-schlägiger Hau-Drauf-Comics, hat in „Fax aus Sarajevo“den fragwürdigen Reiz der Opfer-perspektive für sich entdeckt und ein Landser-Heft mit ausgiebigem Kulleraugenkitschgestaltet

Joe Kubert, der alte Haudegen, ist zurück an der Front! Comic-Freunde kennen ihn als Zeichner von Our Army at War oder G. I. Combat: Wortkarge Hau-drauf-und-Schluß-Comics, deren vaterlandstreue Protagonisten („Sergeant Rock“) selten Gefangene machten; Kalter-Krieg-Mainstream, der seine beste Zeit in den fünfziger Jahren hatte. Bloß Kubert blieb sich lange Zeit treu. Noch vor ein paar Jahren, so steht zu vermuten, hätte er ein militärisches Großereignis wie den jugoslawischen Bürgerkrieg zum Gegenstand eines knallbunten Schlachtengemäldes gemacht, mit kernigen Kerlen und kurzweiligen Strategiespielen.

Doch siehe da: Kaum schickt man den Krieger (71 Jahre alt) in Rente, wird seine Sicht auf die Welt schwächlich. Wenn richtige Männer blutige Schlachten schlagen, scheint Kubert heute nicht mehr so hingerissen wie einst. Zumindest hat er die Perspektive der Opfer entdeckt, wie dem jetzt auf deutsch veröffentlichten Album Fax aus Sarajevo zu entnehmen ist.

Darin präsentiert Kubert eine Reihe von Briefen, die ihm ein Freund und Geschäftspartner, der bosnische Comic-Agent Ervin Rustemagic, zwischen März 1992 und April 1993 aus dem belagerten Sarajevo gefaxt hat: Dokumente des täglichen Überlebenskampfes in der vom serbischen Militär belagerten, von Heckenschützen terrorisierten Stadt; vor allem aber resignierende Berichte von den lange erfolglosen Versuchen, sich samt Familie ins sichere Ausland zu retten.

Man versteht, daß selbst ein harter Knochen wie Kubert von diesen Schilderungen betroffen ist: Wenn Freunde in Not sind, ist das selten erfreulich. Ungeklärt bleibt hingegen, warum der Mann sich bemüßigt fühlte, die Dokumentation der Faxe – mit der die „Teilnahmslosigkeit der restlichen Welt“beklagt werden soll – durch einen selbstgezeichneten Comic zu begleiten. Jedenfalls scheint er nicht einen einzigen Gedanken auf die Frage verwandt zu haben, ob und, wenn ja, auf welche Weise man die Erfahrungen der Menschen in der eingeschlossenen Stadt, ihre Todesangst und Entscheidungsnot ausgerechnet in die Form einer Bildergeschichte bringen sollte.

Statt dessen versucht Kubert zu tun, was er schon immer getan hat: eine spannende Story zu erzählen, mit einer Katastrophe am Anfang (den ersten serbischen Bombardements) und einem Happy-End (der Ankunft der Familie im sicheren Slowenien). Zwischendurch sieht man allerdings meist nur Familie Rustemagic als grobschlächtig gezeichnetes Pappfiguren-Ensemble durch die brennende Stadt irren, was eher nicht so spannend ist. Darum wendet sich Vater Ervin, wenn die Lage besonders dramatisch sein soll, schon einmal in Denkblasen an die Leser, um das Problem zu erklären: „Ich muß meine Familie von hier wegbringen!“

So ist es durchgehend: Weil Kubert nicht in der Lage ist, für Leid und Hoffnungslosigkeit Bilder zu finden, die nicht am bloß Figurativen kleben, behilft er sich mit Pseudo-Psychologie und „Gefühl“. Bloß reichen seine mimischen und gestischen Mittel auch heute über das schmale Inventar der Pulps nicht hinaus: Mehr als zusammengezogene Augenbrauen (bei Männern) und große Kulleraugen (bei Frauen) hat er nicht zur Verfügung, um innere Bewegung zu simulieren.

Mit dieser schlechten Theatralik, mit seiner angestaubten leblosen Bildsprache vollbringt der Zeichner das Kunststück, den Betrachter noch gegenüber den grauenhaftesten Geschehnissen in eine eigentümliche Indifferenz zu versetzen: Man liest Fax aus Sarajevo mit dem selben Gleichmut, mit dem man auch das Geballer in Kuberts alten Landser-Heften an sich vorbeiziehen läßt. Ein bizarrer Effekt für ein Album, das sich doch so lautstark als „aufrüttelndes“Pamphlet gegen den Krieg empfiehlt. Jens Balzer

Joe Kubert: „Fax aus Sarajevo“. Carlsen Verlag. 49,90 Mark