Grüne planen heißen Herbst

■ Keine Zustimmung zu Bezirksreform, Forderungen nach Autonomie für jüdisches Museum und Abschaffung der Bannmeile. "Gutes Klima" für Rot-Grün

Ablehnung des Koalitionskonzepts zur Bezirks- und Parlamentsreform, finanzielle und administrative Eigenständigkeit für das geplante jüdische Museum und Abschaffung der Bannmeile: Das sind drei der wichtigsten Themen, denen sich die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen widmen will, sobald das politische Berlin aus dem Sommerschlaf erwacht.

Von Meinungsumfragen beflügelt, die eine rechnerische Mehrheit für eine rot-grüne Alternative in der Stadt möglich erscheinen lassen, erneuerten gestern der bündnisgrüne Fraktionschef Wolfgang Wieland und seine Stellvertreterin Renate Künast ihre Kritik an der Großen Koalition aus CDU und SPD. Diese sei „tief zerstritten“ und regiere „Berlin schlecht“.

Gegen den nach den jüngsten Klausurtagungen gefundenen Kompromiß der Koalition, die Zahl der Bezirke bis 1999 auf zwölf zu verringern und dafür das politische Bezirksamt vorerst nicht einzuführen, werde man „noch einmal richtig in die Schlacht ziehen“, kündigte der Fraktionsvorsitzende Wieland an.

Da der Senat auf die grünen Forderungen nach einem politischen Bezirksamt, einer Volksabstimmung über die Bezirke, einer wirklichen Verwaltungsreform und einer stärkeren Verkleinerung des Parlaments überhaupt nicht eingehe, werde es auch keine Unterstützung im Parlament für die Bezirksreform geben. „Es gibt in der CDU 15 bis 20 Leute, die nein sagen werden“, meinte Wieland. Er sehe nicht ein, daß die Grünen für dieses Projekt, in das sie nicht eingebunden waren, für den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) die nötigen Stimmen zusammenbringen sollten.

Zum Thema jüdisches Museum äußerten die Grünen scharfe Kritik am neuen Kultur-Staatssekretär Lutz Pufendorff (CDU): In den Verhandlungen mit der jüdischen Gemeinde habe dieser einen „unglaublichen Schaden für den Ruf der Stadt“ angerichtet. Nötig sei es nun, die Organisation des jüdischen Museums zumindest mittelfristig von der Kulturverwaltung unabhängig zu machen. Für die Trägerschaft des Museums solle ein eigenständiger Betreiber gefunden werden. „Ein jüdisches Museum ohne oder gegen die jüdische Gemeinde wäre schlimmer als kein jüdisches Museum“, meinte Wieland.

Schließlich fordern die Grünen die Abschaffung der Bannmeile rund ums Abgeordnetenhaus und den Verzicht auf eine neue Bannmeile rund um die Bundesregierung im Spreebogen. Ansonsten entstände „eine demo- und demokratiefreie Zone zwischen Spree und Abgeordnetenhaus“, sagte Künast. Da die Bannmeile rund um die Uhr und auch in den Sommerferien gelte, müsse die Polizei jede noch so kleine Demonstration von BürgerInnen und auch von Abgeordneten verfolgen. „Das ist Beschäftigungstherapie für Staatsanwälte“, meinte Künast. Vielmehr solle sich Berlin am Beispiel Bonns orientieren und Demonstrationen zulassen, die bei Hinweise auf Risiken dann „nach dem Polizeirecht“ überwacht werden könnten.

Für eine rot-grüne Alternative sei das Klima gut, erklärten die Grünen. „Die Vorstellung bei der SPD, daß wir als die zu erziehenden Kinder an die Seite der Sozialdemokraten treten, ist aber falsch“, beharrte Wieland auf grüner Eigenständigkeit. Eine rot- grüne Regierung ohne PDS-Tolerierung sei durchaus möglich.

Über den Umgang mit der PDS nach der Wahl werde man aber frühestens im nächsten Jahr entscheiden, um bei dem Thema im Bundestagswahlkampf der CDU keine Vorlagen für eine Rote-Socken-Kampagne zu liefern. Die PDS bewege sich zwar in einigen Fragen, in anderen sei mit ihr aber kein Staat zu machen, wie etwa bei der Weigerung, sich auf Stasi-Vergangenheiten untersuchen zu lassen. „Mit einer Tolerierung durch so eine PDS würde eine rot-grüne Regierung enorm geschwächt“, befürchtet Künast. Bernhard Pötter