Herzlichen Glückwunsch!

■ Die Koalition hat einen Haushalt hinbekommen

Man gewöhnt sich offenbar an alles mögliche. Daß die Finanzpolitik der Bundesregierung ein einziges Debakel ist – wer will das bestreiten, ohne sich dabei lächerlich zu machen? Aber wer möchte sich heute deswegen noch die Haare raufen? Das könnte die Frisur versauen.

Man hat den Eindruck, dieses Land hat über die Jahre jede Vorstellung davon verloren, wie eine Politik jenseits von Helmut Kohl und Theo Waigel aussehen könnte. Geschweige denn, daß die Leute wüßten, wer für eine solche Politik, die einräumen müßte, daß die alte Bundesrepublik mit ihren Wohlstandsversprechen längst untergegangen ist, stehen könnte. Angesichts der Phantasielosigkeit kann man mit dieser Regierung fast schon wieder Mitleid haben.

In dieser traurigen Situation hat sie immerhin einen Haushalt hinbekommen. Das war ja angesichts des Chaos der letzten Wochen in der Koalition nicht unbedingt zu erwarten. Vielleicht sollte man CDU, CSU und FDP aus Gründen der Fairneß dazu einfach mal gratulieren: Herzlichen Glückwunsch! Einen „Erfolg in schwieriger Zeit“ nennt FDP-Fraktionschef Solms den Haushalt. Das kann man wohl so sehen: Schwierig ist die Zeit, und wenn man nichts erwartet, ist alles, was mehr ist als nichts, ein Erfolg.

So sieht der Haushalt 1998 dann auch aus, der Nachtragshaushalt 1997 ebenso. Da steigt die Neuverschuldung für dieses Jahr mal ganz locker um 18 Milliarden Mark. Da plündert der Finanzminister das Vermögen des Bundes, ohne rot zu werden. Da werden finanzielle Lasten, wo es nur geht, auf die Zukunft verschoben. Da geht Waigel einfach davon aus, daß der Solizuschlag gesenkt wird. Stimmt aber der Bundesrat der Gegenfinanzierung nicht zu, und das ist sicher, dann fehlen im Etat sieben Milliarden – oder die FDP verzichtet auf die Absenkung des Solizuschlags. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis in der Koalition wieder Freude aufkommt. Wie verzweifelt muß eine Regierung eigentlich sein, um so etwas als soliden Haushalt zu verkaufen?

Und war da nicht noch irgendwas? Arbeitslosigkeit oder so? Halbierung bis zum Jahr 2000? Wenn alles gut läuft, hat Waigel gestern verkündet, sinkt die Zahl der Arbeitslosen von 4,2 Millionen auf 4,1 Millionen. Na bitte. Ein Erfolg in schwieriger Zeit. Jens König

Bericht und Interview Seite 4