Oder-Neiße-Grenze wird geflutet

■ Ganze Landstriche in Polen und Tschechien verwüstet, mindestens 55 Tote. Wassermassen strömen Richtung Deutschland. Notdeiche werden geöffnet, Flußauen im Nationalpark Unteres Odertal dienen als Auffangbecken

Warschau/Berlin (taz) – Mindestens 55 Menschen fielen den Überschwemmungen in Südpolen und im Norden Tschechiens bereits zum Opfer. Heute und morgen wird die Flutwelle auch in Breslau erwartet: Gestern brachen Arbeiter einige Deiche oberhalb der Stadt auf, um etwas Wasser abzuleiten und die historische Altstadt vor der ersten Flutwelle zu schützen.

In Frankfurt an der Oder werden die Flutwellen ab Donnerstag erwartet – mit einem Pegelstand von fast sechs Metern. „Dann ist noch 1,20 Meter Luft bis zur Deichkante“, sagt Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg. „Das ist verdammt ernst.“ Am Dienstag werden deshalb Flußauen und Wiesen im Nationalpark Unteres Odertal geflutet. Er erwartet, daß so Überflutungen bewohnter Gebiete verhindert werden können. Hoffnung macht ihm das heiße Sommerwetter, das noch bis Mittwoch anhalten soll: „Da wird eine Menge Wasser verdunsten.“ Ab Donnerstag rechnet der Deutsche Wetterdienst allerdings wieder mit Regen in Brandenburg.

Obwohl sich die Lage in Osteuropa insgesamt etwas entspannte, konnte keine Entwarnung gegeben werden. Die Rettungsarbeiten dauern an. Allein in Polen wurden schon 40.000 Menschen aus ihren überfluteten Wohnungen gerettet. Die Flußbetten von Oder, Neiße und Weichsel sind nicht mehr zu erkennen. Wo das Wasser abläuft, bleiben Tierkadaver, Autowracks, Häusertrümmer und Schlamm zurück – überall Schlamm, auf den Straßen, in den Kellern, in den Schlafzimmern.

Die Schäden waren nach Ansicht von Wasseringenieuren nicht vermeidbar. „Bei derartigen Niederschlägen würde überall der Hochwasserschutz versagen“, meint Georg Rast vom Aueninstitut des WWF in Rastatt. In den Unterläufen von Elbe und Oder wären die Flutwellen aber wesentlich flacher und die Schäden geringer, weil dort noch große, naturbelassene Flächen für die Überflutung zur Verfügung stünden. Ähnliche sintflutartige Regenfälle gab es auch in Deutschland in diesem Jahrhundert, aber nur auf kleiner Fläche. Berichte Seiten 6 und 7