■ Beim Viertelfest hinterläßt ganz Bremen seine Kunst, seinen Müll und gute Laune
: Reges Gedränge im bunten Musikgemenge

Donnerstag morgen: Im Korb des straßengeparkten Fahrrads eine Dose Bier, leer. Freitag morgen: Eine zerknuddelte Schachtel Zigaretten, HB? HB! Samstag: Die Korbausbeute schwillt auf inflationäre Weise an: Eine Colaflasche mit gelb-weißem Strohhalm, Kaugummipapier auf Dönerfragment. Die reinste Pop art. Es muß ein besonderer Tag gewesen sein: Es war Viertelfest. Das geht auch an 'nem Fahrradkorb nicht spurlos vorbei. Am Sonntag ging er endgültig zu Boden. Jedes Fest hat seine Opfer.

Das weiß auch der Mann von der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Drei Stunden hatte er gebraucht, um die Straßenbahngleise zu säubern von hunderten unfreiwilligen Sabotageakten, von Hühnchenaas, Kebabklumpen. Jedes Fest hinterläßt denselben Food-Matsch.

Dennoch ist das Viertelfest etwas ganz besonderes.

Da schaukelt ein schöner nackter Mann mit verzücktem Gesicht an der Deckenlampe des Headhunter-Frisörs durch neonbeleuchtete Lüfte – aber kaum einer schaut hin. Der wohltuende Irrsinn des Viertels ist normal geworden. Aber auch der traurige. Wer mit sich reden läßt, hört einen Kauz von einem verborgenem Schatz erzählen: „Den muß ich nur heben, wirklich“, sagt er. Ein anderer spricht von der baldigen Kollektivvergasung der Menschheit: „Demnächst, wirklich.“Das Viertelfest ist zugleich ein Fundort für Avantgardemusiker: Krude Erzählungen, Salsatechno vom Cocktailstand und das „Blowing in the wind“der Oldie-Band mischen sich zu schrägen Klanggebilden. Keine Stimme fehlt. Nicht mal der Einfaltsschlager in der charmanten Variation der Drag-Queen. Archaische Blechtonnenpercussion am selben Ort wie smarter Jazzhiphop. Der „social beat“des Viertels schlägt in vielen verschiedenen Geschwindigkeiten. Das gilt auch für die Lesung von Günter Kahrs, der aussieht wie Meister Propper. Er berichtet vom alternativen Selbstverwirklichungsstreß. Man könnte genervt sein. Doch man entschließt sich zur Rührung. Denn schließlich sind wir beim Viertelfest. Und das ist etwas besonderes. bk