SPD: Böger kanzelt Stahmer ab

■ SPD-Fraktionschef Böger rügt Senatorin Stahmer, weil sie aus Taktik die Sportförderung streichen wollte. Von 500 Mio. Mark, die der Senat 1998 einsparen muß, entfallen 135 Mio. auf Stahmers Ressort

SPD-Fraktionschef Klaus Böger hat gestern seine massive Kritik an Sportsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) bekräftigt: „Es nicht legitim, vergiftete Sparvorschläge zu machen“, erklärte er auf Anfrage. Die von der Sportverwaltung aus taktischen Erwägungen vorgeschlagene Streichung der Sportförderung sei vom Tisch. Dies habe er mit seiner Erklärung lediglich klarstellen wollen, so Böger. Es sei nicht seine Absicht gewesen, die Parteigenossin zu demontieren.

Vor zwei Jahren, nach den vernichtenden SPD-Wahlverlusten, hatte Böger die gescheiterte Spitzenkandidatin schon einmal öffentlich bloßgestellt. In den Koalitionsverhandlungen trat er der CDU das Ressort der damaligen Sozialsenatorin ab. Nur gegen seinen Widerstand wurde Stahmer schließlich Schulsenatorin.

Doch auch wenn keine Absicht dahintersteckte: Bögers vernichtende Kritik hat die Senatorin beschädigt. Seit zwei Monaten kursierte ein Entwurf der Sportverwaltung, wonach die 24,3 Millionen Mark Sportförderung im nächsten Jahr fast ganz gestrichen werden sollten. Wie Stahmer inzwischen aus dem Urlaub in Österreich mitteilte, war dies als taktischer Schachzug gedacht, um die Absurdität der Sparvorgaben für ihr Ressort zu verdeutlichen. Denn Stahmers Ressort soll mit 135 Millionen Mark den Löwenanteil der insgesamt 500 Millionen erbringen, die alle Senatsressorts 1998 einsparen müssen. Auch der SPD- Haushaltsexperte Klaus Wowereit räumte gestern ein, daß Stahmers Ressort überdurchschnittlich zur Ader gelassen werden solle.

Zwar war der Vorschlag nach einem Gespräch zwischen Beamten der Finanz- und der Sportverwaltung längst vom Tisch, doch dann verarbeitete die B.Z. am vergangenen Mittwoch das Papier zur Titelgeschichte. Die Empörung unter Sportfunktionären war groß. 10 Protestfaxe und 20 Anrufe liefen in Bögers Büro ein. Der Fraktionschef machte sich ans Ausbügeln und kanzelte die Parteikollegin ab: Wenn die Sportförderung gestrichen werde, dann könne die Sportverwaltung drastisch verkleinert werden. Über die Mittelvergabe könnten dann der Landessportbund und die Bezirke entscheiden. Dort bestehe ohnehin „eine viel größere Sachkenntnis und Problemnähe“. Und ohne Stahmer direkt zu nennen, forderte er, im Sportbereich müsse „endlich gehandelt werden“.

Stahmer übte sich am Wochenende in Entschuldigungen: „Ich war einfach zu diszipliniert“, sagte sie der Morgenpost. Sie mache sich den Vorwurf, wegen der unerfüllbaren Vorgaben nicht an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Sie habe mehrmals vergeblich versucht, mit dem Fraktionschef über den Entwurf zu sprechen.

Auch Haushaltsexperte Wowereit nannte Stahmers Vorschlag „unverantwortlich“. Es sei ein Ärgernis, wenn sich Senatoren mit taktischen Manövern durch die Sparrunde lavieren wollten. Die Senatorin habe die gesamte Sportklientel verunsichert. „Wer so einen Vorschlag macht, beschädigt sich selbst.“ Dorothee Winden