■ Verleger, aufgemerkt! Noch sind sie zu haben:: Michael Stichs Gedichte
Michael Stich will nicht mehr Tennis spielen, sondern Golf und Klavier. Das teilte der Nicht-Leimener nach seiner Halbfinalniederlage in Wimbledon der Öffentlichkeit mit. Doch Golf und Flohwalzer sind für einen 28jährigen noch nicht lebensabendfüllend; deswegen möchte Stich „vielleicht Gedichte schreiben“ (FAZ, 7. Juli 1997).
„Sticheleien“ heißt der Gedichtband, mit dem Michael Stich rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse 1997 als „Verseschmied“ debütieren möchte, aber noch hat sich kein Verlag für Stichs Gedichte gefunden. Verleger, die sich von der Auswahl der hier erstmals und weltexklusiv publizierten Gedichte Stichs angesprochen fühlen, sollten sich beeilen. Wer zu spät kommt, kriegt keinen „Stich“ mehr.
Jessica
Wir ziehn, mein Schatz,
am gleichen Strang:
Ich auf dem Platz;
du auf dem Rang.
Wimbledon
Sport ist Mord.
Auch und erst recht
auf dem Centre Court...
Alternative
Willst du den Grand-Slam-Sieg,
dann trainiere emsig.
Willst du nur verlieren,
knall dich zu mit Bieren.
Der sogenannte „Leimener“
für Boris Becker
Diesem Leimener gehen alle
auf den Leim.
Darauf mach ich mir jetzt extra
keinen Reim.
Ich, Michael Stich
Nennt mich nicht mehr Ismael,
nennt mich lieber Stich.
Oder nennt mich Michael.
Das bin nämlich ich.
Stichprobe
für Jessica
Ich schlug ein As. Und du?
Du schlugst die Augen nieder.
Das gab mir einen Stich.
Doch später gabst du zu,
es sei nicht so gemeint gewesen.
Da war ich wieder ich:
Michael Stich.
Der Herr Becker
Der mit seiner blöden
Frisur immer.
Party in Hollywood
Auf einer Party in Hollywood
traf ich den US-Präsidenten Bernd Clinton
und viele andere Prominente,
u.a. Whoopi Goldberg und Simone Borowiak,
aber auch Dennis Hopper („Easy Rider“).
Ich fragte diesen Dennis warm:
„Was reimt sich bloß auf Tennisarm?“
Er sagte: „Fuck off, Arschgesicht.“
Aber ich glaube,
er hatte nur Spaß gemacht.
Gelassenheit
für Wolf Biermann
Ich fühle mich so
gelassen, aber manchmal
irgendwie auch
im „Stich“
gelassen...
Gleichsam eine Bilanz
Kaum zu glauben, aber wahr:
Tennis ich habe gespielt manches Jahr'.
Ob auf Rasen oder Sand,
bin ich gleich zum Ball gerannt.
Die Gegner mich oft unterschätzten,
sie sich dabei schwer „verschätzten“.
So ich häufte Sieg auf Sieg,
worauf in der Weltrangliste ich stieg.
Mein oberstes Level ich dann erreichte,
und es mir mit dem Leistungssport reichte.
Die Gelenke mir machen zu schaffen,
dennoch will ich nicht erschlaffen.
Nun ich spiele Klavier und Golf,
darauf bin ich stolz.
Ich hämmere in die „Tasten“,
um mich zu entlasten.
Im übrigen ich mich widme meiner Jessica,
die ist für mich da.
Null Gedanken an „Boris“ ich verschwende,
dessen Karriere ebenfalls ist zuende.
Ich ihn habe öfters überrundet,
darob er sehr verwundert.
Jetzt er angibt mit dem Mercedes- Team,
ich aber nicht werde beachten ihn.
Denn ich wähle eine ganz andere Richtung,
Golf und Klavier und Dichtung.
Wenn mir sind die Musen hold,
das ist wichtiger als ein Grand- Slam-Erfolg.
Jetzt, ihr lieben Leute, muß ich schließen,
laßt es euch nicht verdrießen,
behaltet in guter Erinnerung mich.
Mein Name ist Michael Stich,
denn so nennt man mich.
Der Name meiner Frau ist Jessica,
die ist auch noch da.
Tschüssikowski und bleibt sauber!
Euer alter Centre-Court-Staubsauger
Michael Stich.
Das bin ich.
Gerhard Henschel
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