EU will Hunger in Nord-Korea mit AKWs stillen

■ Der Haushaltsausschuß des Europäischen Parlaments entscheidet heute über eine Beteiligung am Bau von nordkoreanischen AKWs in Höhe von 150 Millionen Mark

Berlin (taz) – Während in Nord- Korea vor allem die ländliche Bevölkerung unter extremer Nahrungsmittelknappheit leidet, schickt sich das Europäische Parlament an, dort zwei milliardenschwere Atomprojekte zu unterstützen. Im Haushaltsausschuß des EP wird heute abend über eine finanzielle Beteiligung von 75 Millionen Ecu (rund 150 Mio. Mark) am Projekt Kedo entschieden. Die im März 1995 gegründete „Energie-Entwicklungsorganisation der koreanischen Halbinsel“ (Kedo), in der vor allem die Nuklearinteressen und -industrien der USA, Japans und Süd-Koreas vertreten sind, wird den nordkoreanischen Machthabern zwei Atomkraftwerke mit einer Leistung von 2.000 Megawatt bauen. Zusätzlich sollen 500.000 Tonnen Rohöl geliefert werden, bis die AKWs im Jahr 2003 ans Netz gehen. Im Gegenzug sollen die Nordkoreaner ihre Nuklearanlagen und atomaren Waffenprogramme für die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde, IAEO, öffnen.

Vor vier Jahren hatte Nord-Korea den Zugang für die internationalen Beobachter gesperrt und war aus dem Atomwaffensperrvertrag ausgetreten. Seitdem befürchtet Süd-Korea, daß die Machthaber in Pjöngjang aus ihrem bisher einzigen AKW russischer Bauart (300 MW) Plutonium abzweigen und für den Bombenbau verwenden könnten. Auch die USA sahen ihren Überwachungsanspruch gefährdet und führten bereits 1994 Verhandlungen über einen Deal mit doppelten Gewinnaussichten: AKW- und Öllieferungen gegen Nuklearkontrolle.

Offiziell werden die Kosten für die AKWs mit 4,5 Milliarden US- Dollar veranschlagt, für die Öllieferungen weitere 500 Millionen US-Dollar. Die Großaufträge haben Unternehmen in den USA, Süd-Korea und Japan unter sich aufgeteilt. Der deutsche Konzern Siemens ist nicht beteiligt, das Tochterunternehmen FCI des Nuklearkonzerns Framatome dagegen fungiert als Juniorpartner. Der Baubeginn findet noch in diesem Jahr statt. Trotzdem hofft die europäische Atomgemeinschaft Euratom, daß die westeuropäische Nuklearindustrie noch von zukünftigen Nord-Korea- und Ostasien-Aufträgen profitieren könnte. Euratom hatte deshalb über die Aufnahme als stimmberechtigtes Vollmitglied im Vorstand von Kedo verhandelt.

Warum die EU für die Aufnahme im Vorstand allerdings genauso viel Geld zahlen soll wie etwa der Hauptprofiteur USA, konnte die EU-Kommission dem Parlament nicht erklären. Trotzdem soll heute der Haushaltsausschuß entscheiden. Peter Sennekamp