Der Tod kam um 5 Uhr nachmittags

■ Die ETA exekutierte ihre Geisel nur eine Stunde nach Ablauf ihres Ultimatums, obwohl Millionen Spanier gegen sie demonstrierten. Danach entlud sich der Zorn über die Terrororganisation in Gewalt

Berlin/Bilbao (taz/AFP) – Mit zwei Schüssen in den Hinterkopf richtete die ETA den baskischen Kommunalpolitiker Miguel Ángel Blanco Garrido hin. Am Samstag um 17 Uhr – nur eine Stunde nach Ablauf des Ultimatums – hörten Jäger in der Nähe der baskischen Ortschaft Lasarte die Schüsse. Ihre Hunde jagten zu einem kleinen Fluß, an dem die Jäger den noch lebenden Blanco Garrido fanden. Von den Terroristen der ETA fehlte jede Spur. Blanco Garrido erwachte nicht mehr. Nachdem Ärzte zwölf Stunden lang versucht hatten, den hirntoten Mann zu retten, starb Blanco Garrido in den frühen Morgenstunden des Sonntags.

Die baskische Separatistenbewegung hatte den Kommunalpolitiker der konservativen Volkspartei (PP) am Donnerstag im baskischen Ermua entführt. Innerhalb von 48 Stunden sollte die spanische Zentralregierung 500 über ganz Spanien verteilte Gefangene der ETA in Gefängnissen im Baskenland zusammenlegen, so das Ultimatum. Andernfalls werde die ETA die Geisel erschießen.

Das tat sie am Samstag um eine Uhrzeit, um die sonst in Spanien die Stierkämpfe beginnen. Aus Anteilnahme mit der Familie des Entführten und aus Protest gegen die baskischen Separatisten waren die Stierkämpfe in Nordspanien jedoch schon abgesetzt. Zum ersten Mal seit 1973 wird außerdem die Fiesta de San Fermin, das traditionelle Stierrennen, in Pamplona nicht stattfinden.

Schon vor dem Mord gingen am Samstag in ganz Spanien schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen zu Protestkundgebungen gegen den Terror der ETA auf die Straße. Die größte Demonstration mit bis zu 750.000 Menschen fand in Bilbao statt. Sechs Flugzeuge hatten aus anderen Regionen des Landes Demonstranten in die baskische Hauptstadt geflogen. Zudem kamen der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar (ebenfalls PP) und andere hochrangige Politiker, die sich sonst nicht in die unruhige Region am Atlantik verirren.

Die Nachricht von der Ermordung des 29jährigen Politikers löste in ganz Spanien und auch im Ausland Entsetzen über die Brutalität der ETA aus. Hunderttausende Spanier, die sich in der Nacht in zahlreichen Städten versammelt und vergeblich auf das Wunder von Blanco Garridos Rettung gehofft hatten, ließen ihrer Wut freien Lauf. „Mörder, Mörder!“ riefen sie. Spontane Aktionen richteten sich gegen den politischen Flügel der ETA, Herri Batasuna (HB). In der Heimatstadt des Opfers und in Pamplona setzten Unbekannte die Parteizentrale von HB in Brand. Die Polizei brachte HB-Abgeordnete vor dem Zorn der Bevölkerung in Sicherheit. Bei einer Schweigeminute für Blanco Garrido im Rathaus seiner Heimatstadt Ermua nahmen die Abgeordneten von Herri Batasuna nicht teil.

Als „Hundesöhne“ bezeichnete die spanische Zeitung Diario 16 die ETA. El Pais verglich die ETA mit Franco und seinem Terror gegen Minderheiten. Außerdem zitierte die Zeitung Hitler und „Mein Kampf“ in bezug auf die Basken. „Die ETA ist einsamer und isolierter, als sie es je war“, sagte Staatssekretär Miguel Ángel Rodriguez. ufo