Ohnmacht und Reife

■ Spanien: Zivile Reaktionen auf den Mord der ETA

Trauer, Wut und Fassungslosigkeit – das waren die Reaktionen im Baskenland, als gestern bekannt wurde, daß die ETA ihre Drohung wahrgemacht und ihre neueste Geisel Miguel Ángel Blanco Garrido erschossen hatte. Der Mord ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die seit Jahren eine Beendigung der Gewalt fordern. Durch Schweigeversammlungen, durch Märsche, durch Proteste. Aktionsformen, die leise sind und dennoch riskant, denn sie richten sich gegen eine Gruppe, die die Waffen in der Hand hat und, wie man jetzt erneut gesehen hat, nicht davor zurückschreckt, diese einzusetzen.

Das Baskenland verfügt heute über ein gehöriges Ausmaß an Autonomie. Entsprechend hat die Unterstützung für die ETA abgenommen, die Mehrheit der Basken will ein Ende des bewaffneten Kampfes. Allein die ETA und ihr Umfeld verharren in ihrer Meinung, es habe sich seit Franco nichts geändert, und bewegen sich in einem Teufelskreis der Blutrünstigkeit, der nur noch mit der eigenen Legitimierung zu tun hat. Für die Zusammenlegung der ETA-Gefangenen mußte der junge Mann angeblich sterben. Der distanzierende Brief eines Gefangenen aus Córdoba zeigt jedoch, daß diese nicht gefragt wurden, ob sie mit einem Mord einverstanden sind. Es geht somit nur um einen Machtkampf zwischen der ETA und dem Staat: Der Mord unterscheidet sich in nichts von den erpresserischen Morden etwa der Mafia in Italien.

Trauer, Wut und Fassungslosigkeit sind die Reaktion. Und eine bewundernswerte Mäßigung: Keine Kopf-ab- Sprüche wurden laut, auch nicht der Wunsch, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Statt dessen wurde gestern – nicht nur im Baskenland – vor allem gefordert, die aktuelle Politik fortzusetzen, die ETA gesellschaftlich zu isolieren. Ruhe bewahren, nicht in Panik geraten – das war eine Botschaft selbst der Regierung der rechten Volkspartei, die sicherlich kein Freund einer ausgeprägten baskischen Autonomie ist.

Dies zeugt von großer politischer Reife. Die Basken wollen keine Rückkehr in die Zeiten der staatlichen Übergriffe. Und die restlichen Spanier haben begriffen, daß diese nicht zum Ziel führen. Die Basken mußten erneut bitter erfahren, daß die ETA nicht auf sie hört. Dennoch kann allein eine entschlossene, breite gesellschaftliche Ablehnung dem Terror im Baskenland ein Ende bereiten. Antje Bauer