Herr PK976 liebt Flatterhemden...

■ ... und Frau WI496 kann fünf Sprachen: Die Bremer Firma AWIB stellt komplette Bewerbungen von Hochschulabsolventen ins Internet

Herr PK976 trägt ausweislich seines Paßfotos gern mit Ethnomotiven bedruckte Flatterhemden. Er ist 29 Jahre alt, stammt aus Zittau und wurde zu DDR-Zeiten politisch getriezt. Sein Abiturszeugnis enthält mehrere Rügen („In Diskussionen zu strittigen Problemen blieb Herr PK976 zurückhaltend im Kollektiv“). Darum durfte er zunächst nur Maschinenbau studieren. Als die Wende kam, warf er sich auf Journalistik und Politologie. Nun sucht er einen Job im Bereich PR/Werbung/Medien.

Seine kompletten Bewerbungsunterlagen (bis auf den Klarnamen) hat Herr PK976 im Internet an eine virtuelle Pinwand gehängt. Jeder Internetsurfer, der auf die Homepage http://www.abiw.de stößt, kann den akademischen Jobsucher genauso kennenlernen wie das forsche Sprachgenie Frau WI496 aus Landshut, die fünf Fremdsprachen spricht und bei BMW im Personalbüro sowie stundenweise bei der Caritas-Heimpflege gearbeitet hat (sie ist 24, steht auf legere Polo-Shirts und hat eine blonde Mähne, vermutlich Naturkrause). Herr PK976 und Frau WI496 sind Klienten der jungen Bremer Firma ABIW Blaha & Ysker, wobei „ABIW“für „Absolventen im Web“steht. ABIW ist ein privater Arbeitsvermittler und nach eigenen Angaben „der erste und einzige Internet-Service-Anbieter, der vollständige Bewerbungsunterlagen im Internet publiziert“. ABIW gibt es seit Mai 1996. 182 Stellensucher enthält der aktuelle Katalog.

Die Firma in der Horner Straße im Steintor besteht aus einem Schreibtisch mit PC und einer Regalwand. Auf dem Boden verstreut: FAZ, taz und andere Weltblätter, Post vom Arbeitsamt und dem Bundesamt für Wirtschaft, Computerzeitschriften („Alles über Web-Werkzeuge“). Inmitten sitzt Boris Blaha (36), Sozial- und Kulturwissenschaftler, getrieben, wie er sagt, von der „Faszination Internet“. Im Nebenamt erstellt er gerade für die Bremer Grünen eine Studie über Firmen, die mit dem Internet Geld verdienen (wollen).

Blahas Dienstleistungsangebot richtet sich, wie es sich für einen Vermittler gehört, an zwei Seiten. Hochschulabsolventen verhilft er gratis zu einer anständigen Präsentation im Internet; den Personalchefs kleinerer und mittlerer Unternehmen (Großunternehmen ersticken ohnehin unter der Flut der ungebetenen „Initiativbewerbungen“) bietet er eine bequeme und tageszeitunabhängige Online-Recherche nach neuen Mitarbeitern an. Einfach die gewünschte Branche anklicken und schauen, ob eine Nase dabei ist, die gefällt bzw. eine Abinote oder eine ausreichend kesse Selbststilisierung. Kommt ein Arbeitsverhältnis zustande, zahlt die Firma „weniger als ein Monatsgehalt“an Provision.

Hierzulande noch ganz und gar undenkbar, weil zu unseriös, wären lustige Möglichkeiten, die das Internet nun mal bietet: etwa eine gesprochene Bewerbung, eine kleine Animation, ein flottes Video etc. Doch die Nähe zu kommerziellen Heiratsvermittlungen oder noch Schlimmerem ist riskant: Boris Blaha vermutet, daß schon der Begriff „Internet“für große Teile seiner potentiellen Wirtschaftskunden unseriös klingt. Das mag ein Teil des Problems sein, warum ABIW nicht gleich wie eine Bombe einschlug und von schwarzen Zahlen noch weit entfernt ist. Ein anderer möglicher Grund laut Blaha: „Die PCs der Personalchefs sind zu klein.“Zu klein, um die Datenflut aus dem Web zu bewältigen.

20 bis 30 Neubewerber rufen Blaha pro Monat an; sie haben in einer Hochschulzeitschrift, beim Prüfungsamt, manchmal beim Konkurrenten Arbeitsamt von ABIW gehört. Oder sie sind über Suchworte wie „Arbeitsvermittlung“direkt im Internet fündig geworden. Da trifft man auf weitere Konkurrenten, die jedoch nur Kurzbewerbungen vorstellen.

117 von 182 Bewerbern haben bisher ein Stellenangebot bekommen; 18 mal hat bis heute eine Anbahnung geklappt. Ob seine tatsächliche Vermittlungsleistung besser ist, ob er geprellt wurde, Arbeitsverträge hinter seinem Rücken zustande gekommen sind, weiß Blaha nicht: „Vertrauenssache.“

BuS

Homepage: http://www.abiw.de