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■ QuerspalteLe Drei- kommanull

Deutschland war mal Exportweltmeister. Das Bewußtsein davon stärkt unsere brüchige Identität, getreu dem von den Frankfurter Altmeistern entwickelten Theorem, wonach im Überbau kontrollierend fortwirkt, was an der Basis bereits in Zersetzung übergeht.

Aber unser Exportweltmeistertum erstreckt sich leider nur auf Waren, nicht auf Worte. Hier sind wir Nettoimporteure, und das trotz mehrfacher, erfolgreicher Sprachreinigungen. Nach wie vor herrscht in der Bewegung der Worte Ostdrift, nur daß der Hauptexporteur wechselte. Frankreich kann gegenüber den USA nicht mehr, pardon, reüssieren. Tapfer halten zwar die Berliner an der B(o)ulette fest, aber selbst ein Begriff wie „cohabitation“ samt seinem suggestiven Untergrund ist bei uns nicht heimisch geworden, obwohl es wirklich „seltsame Bettgenossen“ (Lenin) gibt, die sich hierzulande in die Macht teilen.

Aber getreu dem Motto des Bundespräsidenten, daß durch Deutschland ein Ruck gehen muß, sind wir bereits mitten in der Gegenoffensive. Auf dem angloamerikanischen Markt haben wir „the German Angst“ plaziert, in Frankreich erreichten wir einen schönen Anfangserfolg mit „le Waldsterben“. Aber eine genaue Marktanalyse ergibt, daß beide Begriffe im offiziösen Diskurs steckenblieben. Sie leisteten gute Dienste für die Stereotypeproduktion, ohne die internationaler Handel und Wandel unmöglich sind, verfehlten aber das ausschlaggebende Reich der Alltagssprache.

Jetzt stehen wir im frankophonen Bereich endlich vor dem Durchbruch. Wenn uns die Nahrichtenagentur AFP korrekt unterrichtet, tritt „le Dreikommanull“ in Frankreichs Medien seinen Siegeszug an. Anders als die vorgenannten Beispiele hat „Le Dreikommanull“ alle Chancen, Theo Waigel als Adressaten hinter sich zu lassen und nicht nur ein Bild des deutschen unsere Tage, sondern eines universalen Charakters abzugeben. Z.B.: „Schau den Typ dort drüben, er sieht so borniert und einfallslos aus, muß ein ,Dreikommanull‘ sein.“ Christian Semler

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