Serbiens Präsident spaltet Montenegro

Die mögliche Wahl von Milošević zum jugoslawischen Präsidenten wird für die Adriarepublik zur Zerreißprobe. Der regierenden Demokratischen Partei droht jetzt der Bruch  ■ Aus Podgorica Andrej Ivanji

Podgorica (taz) – Bei Montenegro denken die meisten Deutschen an Urlaub, Sandstrände und Meer. Deshalb hat die montenegrinische Regierung das Topmodel Claudia Schiffer engagiert, um deutsche Touristen wieder an seine Küste zu locken. Vergebens. Der Fremdenverkehrsboom ist ausgeblieben, dafür erschüttert die tiefste politische Krise seit dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien die kleine Adriarepublik.

Eine Frage löst heftigen Streit sowohl in den Kneipen der Hauptstadt Podgorica als auch in der Staats- und Parteispitze aus: Soll Montenegro in der Föderation mit Serbien bleiben, wenn der serbische Präsident, Slobodan Milošević, jugoslawischer Bundespräsident wird?

„Das Volk hier hat einfach Angst vor dem Machthunger des serbischen Präsidenten. Wenn er einmal jugoslawischer Präsident wird, können wir auf unsere Selbständigkeit pfeifen“, sagt Bogdan Roganović, Besitzer eines kleinen Restaurants in der Bucht von Catarro.

Roganović ist Mitglied des Liberalen Bundes, der sich für ein selbständiges Montenegro einsetzt. Serbien, das sein katastrophales Image Milošević zu verdanken habe, sei ein Ballast für Montenegro, das mit seinen 600.000 Einwohnern allein vom Tourismus leben könne. Die Wirtschaftssanktionen der internationalen Gemeinschaft hätte Montenegro als Teilrepublik der Bundesrepublik Jugoslawien wegen Serbien erleiden müssen. „Ich will nur, daß mein Laden wieder voll ist. Milošević schreckt mit seiner Politik die Touristen ab“, meint Roganović.

Heute tritt das Bundesparlament in Belgrad zusammen, um die Kandidatur von Milosević, des einzigen Bewerbers für das Amt des jugoslawischen Bundespräsidenten, auch offiziell bekanntzugeben. Die Wahl des neuen Präsidenten mit vierjährigem Mandat ist für den 23. Juli anberaumt. Milošević ist aber auf die Stimmen der in Montenegro regierenden Demokratischen Partei des Sozialismus (DPS) angewiesen.

Nur mit einer knappen Mehrheit beschloß der DPS-Hauptausschuß, Milošević' Kandidatur zu unterstützen. Für ihn kämpfte verbissen der Parteichef und Präsident Montenegros, Momir Bulatović. Die drei Vizepräsidenten der Partei, angeführt von Ministerpräsident Milo Djukanović, stimmten jedoch gegen die Kandidatur.

Am vergangenen Freitag wurde Bulatović überraschend vom DPS- Hauptausschuß mit einer Zweidrittelmehrheit als Parteichef abgesetzt. Zu seiner Nachfolgerin wurde die bisherige Vizepräsidentin Milica Pejanović-Djurišić und als DPS-Kandidat für die kommenden Präsidentenwahlen in Montenegro Ministerpräsident Milo Djukanović bestimmt. Bulatović und seine Anhänger schlossen ihrerseits die Vizepräsidenten aus der Partei aus. Eine Spaltung der Partei ist damit kaum noch aufzuhalten. „Wenn die Krise innerhalb der DPS weiter eskaliert, kann auch die Kandidatur Milošević' wieder in Frage gestellt werden“, sagte Milica Pejanović-Djurišić gegenüber der taz. Es sei höchst fragwürdig, ob Milošević die geeignete Person sei, Jugoslawien in die internationalen Organisationen zurückzuführen. Außerdem biete Milošević kein Programm, sondern nur sich selbst an.

In ihrem Machtkampf stützt sich Premierminister Djukanović auf die Polizei und den Geheimdienst, der Ex- Chef der DPS, Bulatović, auf die regimenahen Medien, die jugoslawische Armee und Kriegsmarine sowie auf Belgrad. Zwischen Polizei und Armee ist es schon einmal zum Schußwechsel gekommen.

„Wenn Milošević seine Herrschaft bedroht sieht, greift er zu seiner erprobten Technik und löst Krisen in Randgebieten seines Einflußbereichs aus“, meint der Politologe Srdjan Darmanović. Nun seien Montenegro und die „Republika Srpska“ an der Reihe.

Montenegro stellt nur fünf Prozent des Territoriums, der Bevölkerung und der Wirtschaft in der Föderation mit Serbien. Trotzdem hat es laut Verfassung die gleichen Rechte wie das viel größere Serbien. Der jugoslawische Ministerpräsident Radcje Kontić und der Verteidigungsminister Pavle Bulatović sind Montenegriner, beide sind Anhänger des abgesetzten DPS-Chefs Bulatović. Falls die Djukanović-Fraktion in Montenegro siegt, kann sie die beiden abberufen und eine Staatskrise in Jugoslawien auslösen.

Nicht wenige Montenegriner denken noch, Milošević sei der „meist respektierte“ Politiker im Ausland, als einziger geeignet, Jugoslawien in eine „bessere Zukunft“ zu führen. Gute Sitte in Montenegro ist, daß jeder Mann eine Waffe besitzt. Die Pistolen werden dazu benutzt, um bei Hochzeiten in die Luft zu schießen. Zumindest bis jetzt noch.