Hinter Knastmauern wird nicht geturnt

Weil die Krankengymnastik fehlte, muß Gefangene nochmal operiert werden  ■ Von Elke Spanner

Im Aufenthaltsraum des Frauengefängnisses Hahnöfersand schwatzt eine Handvoll Frauen munter durcheinander. Rosemarie U. erhebt sich, greift nach ihrer Krücke, verzieht kurz das Gesicht und kommt dann heraus – langsam, humpelnd, auf ihren Stock gestützt. Noch immer kann sie nicht ohne Gehhilfe laufen. Noch immer, obwohl ihr schon letzten August ein neues Hüftgelenk eingesetzt wurde. Doch die nach einer solchen Operation üblichen Rehabilitationsmaßnahmen beschränkten sich hinter den Knastmauern auf insgesamt vier Krankengymnastikstunden. Die Folge: Diese Woche wird Rosemarie U. erneut operiert.

„Es hat Rehamaßnahmen gegeben“, betont hingegen Justizsprecher Steffen Judzikowski. „Die Behandlung ist eine rein medizinische Entscheidung, die allein die Ärzte treffen.“Darauf angesprochen, verzieht Rosemarie U. ihr Gesicht und zählt auf: Zwei Laufübungen mit einem Gehwagen, zwei auf Krücken. Das war's. Daß nach einer solchen Operation üblicherweise intensiv nachbehandelt wird, weiß sie aus eigener Erfahrung. Schon öfter wurden ihre Hüften im Krankenhaus Barmbek erneuert. Auch schon zu Knastzeiten.

Nachdem ihr im Februar 1995 links eine neue Hüfte eingesetzt worden war, kam sie in ein Rehazentrum nach St. Peter Ording. Acht Wochen war sie dort in Behandlung, bekam täglich Muskeltraining, Bewegungsbäder und Laufschule. Es war exakt die gleiche Operation – und eine grundlegend andere Anschlußbehandlung.

Daß den medizinischen wohl andere Erwägungen vorgehen, räumt Judzikowski schließlich ein: Weil Rosemarie U. einen Hafturlaub mißbraucht habe, hätten keine externen Rehamaßnahmen genehmigt werden können. Anstatt in eine Fachklinik, kam sie ins Vollzugskrankenhaus auf dem Knastgelände. Dort seien die „vom Krankenhaus Barmbek empfohlenen Rehamaßnahmen ohne Verzögerung in der Abteilung für physikalische Therapie durchgeführt“worden, behauptete der Senat auf eine kleine Anfrage der GAL.

Doch das Barmbeker Krankenhaus schickte im September einen Arztbericht ans Knasthospital. In einem weiteren Schreiben vom November stellte es dann fest, daß „die von uns empfohlene Anschlußbehandlung aus juristischen Gründen nicht durchgeführt werden konnte.“Angeblich hat das Vollzugskrankenhaus, so behauptet der Senat, die Schreiben erst im Januar erhalten. Als Rosemarie U. daraufhin in Barmbek untersucht wurde, war nur die erneute Operation möglich.

Rosemarie U. hat nun Angst, daß sie wieder im Knastspital landet und ohne therapeutische Behandlung bleibt. Mittlerweile wurde sie aus der Holstenglacis ins Frauengefängnis Hahnöfersand verlegt. Die dortige Anstaltsleiterin, Hilde van den Boogaart, versichert: „Sie verläßt Barmbek erst wieder, wenn sie Treppen steigen kann“. Van den Boogaart hofft, daß sie anschließend ambulant von Hahnöfersand aus mehrmals die Woche zur Rehabehandlung gefahren wird. Wer das entscheidet? „Die Ärzte“. Hoffentlich wenigstens dieses Mal.