Astra im Ratsherrnkeller

Hamburg kauft Bavaria für 100 Millionen Mark und sucht privaten Investor. Bavarianer: Holsten bekämpfen, Nicht-Protestler feuern  ■ Von Silke Mertins

Hamburg hat einen neuen Bierbrauer: Henning Voscherau. Gestern verkündete der Erste Bürgermeister, daß die Stadt den von Schließung bedrohten Traditionsbetrieb Bavaria St. Pauli Brauerei für knapp 100 Millionen Mark vom Dortmunder Mutterkonzern, Brau und Brunnen (BuB), übernimmt. 350 der 500 Arbeitsplätze auf dem Kiez sind damit vorerst gerettet.

Entsprechend triumphal wurde der Stadt-Primus von den Brauern am Mittag empfangen. Die Bavaria wird in zwei Firmen aufgeteilt. Der Name der 300 Jahre alten Kiezbrauerei, das Grundstück mitsamt technischen Anlagen und den Marken Astra und Ratsherrn gehen in den Besitz der städtischen Hamburger Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung (HGV) über; 200 Brauer werden jährlich 700.000 Hektoliter Gerstensaft produzieren.

Das gewinnbringende Jever, das trotz des rückläufigen Marktes im letzten Jahr sieben Prozent zulegte, bleibt indes beim Konzern Brau und Brunnen. 150 Arbeitsplätze sollen erhalten und in Hamburg bleiben. Für den Sozialplan der 150 nun wegfallenden Stellen und alle Pensionen wird BuB aufkommen.

Zunächst stattet Hamburg die neue Bavaria mit 20 Millionen Mark Grundkapital aus. Die 75 Millionen Mark für das Grundstück muß die Stadt erst bis Ende 1998 (70 Prozent) und Mitte 1999 (30 Prozent) hinblättern. Durch Astra und Ratsherrn nähme die Stadt pro Jahr zwölf Millionen Mark Steuern ein, rechtfertigte Voscherau das Engagement der Freien und Pleitestadt Hamburg. „Das ist keine Subvention“, betonte er, „wir haben die Absicht, das Geld von dem neuen Investor zurückzufordern.“Der muß aber erst gesucht werden. Daß die Brauerei in die Hände von Grundstücksspekulanten fällt, sollen Vertragsklauseln verhindern.

Senats-Unterhändler Otte Gellert hält Bavaria auch ohne den Verkaufsschlager Jever für marktfähig. Die bisherigen Besitzer hätten die Regionalmarken zugunsten von Jever vernachlässigt. Eine „Focussierung auf Astra und Ratsherrn“sei eine „echte Chance.“

„Totgesagte leben länger“, jubilierte der Bavaria-Betriebsratsvorsitzende Werner Henne. Die Manager der Konkurrenz Holsten, die vor den kämpferischen, aber angeblich aussichtslosen Bavaria-Protesten den Hut gezogen hätten, „sollen ihn jetzt ruhig wieder aufsetzen“, so Henne. „Wir sind wieder da“. Den mitangereisten Brau-und-Brunnen-Chefs gab er eine Geschichte mit auf den Weg: „Als die Schweden nach Altona kamen und die Stadt anstecken wollten, wurden sie von den Brauern totgeschlagen.“Es folgte eine kunstvolle Pause unter dem Gekicher der Bavarianer: „Die Zeiten sind aber vorbei.“Der neue Vorstandschef von Brau und Brunnen, Rainer Verstynen, durfte gar das Wort ergreifen. „Buhen Sie nicht“, appellierte er. „Es hätte auch andere Lösungen gegeben“, nämlich lukrativere Kaufangebote anderer Konzerne. „Das müssen Sie mit glauben.“

Einen „Dank an alle Astra-Trinker“, mußte der Vertrauensleute-Vorsitzende Rainer Ackerhans loswerden. In der neuen „kleinen schnuckeligen Bavaria-Brauerei“sollen seiner Ansicht nach nur jene weiterarbeiten, die für ihren Erhalt gekämpft haben. „Ihr seid die Bavarianer und nicht die, die 25 Jahre hier auf einer halben Arschbacke abgesessen“und bei den Protesten selbige nicht hochbekamen. „Ich wünsche diesen Leuten alles Gute, aber nicht in der neuen Bavaria.“