Ärger statt Angst

■ Heute gibt es für 90.000 Bremer Kids Zeugnisse / Kaum einer ruft Sorgentelefon an

Zeugnisse stressen Schüler nicht mehr so wie früher. „Nur ein paar Notanrufe bekommen wir noch, wenn Kinder nach den Zeugnissen Angst haben, nach Hause zu gehen,“sagt Brigitte Berauer vom Kinderschutz-Zentrum Bremen.

„Zeugnisse? Pah, die laß ich ganz cool rankommen“, winkt Behros (13) aus der sechsten Klasse der Schule in der Schaumburger Straße lässig ab. „Wir hatten mal einen, der schrieb immer „einser“. Nach einer „drei“hat der fürchterlich geheult. Bescheuert.“Sein Klassenkamerad Mohammed (15) wäre für eine „drei“dankbar. Einmal hat es ihn schon erwischt, sitzengeblieben. Auch diesmal wird sein Zeugnis nicht berauschend. Er bereitet sich schon auf Hausarrest und Streß mit den Eltern vor. Irina (14) aus der siebten Klasse der Schule an der Hamburger Straße trifft es hart. Sie bleibt sitzen und wird längere Zeit ihren Freund nicht sehen dürfen.

Früher galt die Zeugnisvergabe als Tag X. Erst am letzten Schultag erfuhren die SchülerInnen die Bewertung ihrer Schulleistung. Heute sind Leistungstrends und Noten lange bekannt.

„Statt den Kinder Hilfe anzubieten und sie zu stützen, benutzen viele Eltern Zeugnisse immer noch zum Psychoterror“, weiß Brigitte Berauer vom Kinderschutz-Zentrum. Zum ersten Mal bekommen die SchülerInnen der neunten Klasse der Gesamtschule Mitte Noten. Vorher wurden über ihre Leistungen ausführliche Lernheftberichte (Lebs) verfaßt. „Wenn du mal eine Arbeit abgekackt hast, zählt das voll für eine Note“, sagt Steffi (15). „Noten sind zu krass, zu brutal“, pflichtet ihr Telse (15) bei.

Johannes (15) dagegen meint: „Ich finde Noten gut, dann weiß ich wenigstens, wo ich stehe.“Blöde an Noten ist, daß die Lehrer viel pingeliger sind in der Beurteilung einzelner Leistungen. Das finden sie alle. „Man müßte Noten und Lebs zusammengeben. schuh

Das Kinder- und Jugendtelefon hat die Nummer 080 011 103 33, das Kinderschutz-Zentrum Bremen ist unter 70 0037 zu erreichen