: Vulkan-Krise „überzeugend gelöst“
■ Scherf und Nölle zufrieden über ihr Engagement in der Vulkan-Krise / Ausschuß befragte letzte Zeugen und zieht erste Bilanz
„Der Senat hat diese größte Krise der Bremer Nachkriegszeit überzeugend gelöst“, so zufrieden äußerte sich gestern Finanzsenator Ulrich Nölle vor dem Untersuchungsausschuß. Das Gremium beendete seine Zeugen-Befragungen mit den beiden Bürgermeistern Nölle und Scherf. Auch Henning Scherf fiel auf die Frage, was der Senat hätte anders machen sollen, nichts ein, im Gegenteil.
Nachvollziehbar ist diese Zufriedenheit nur, wenn man davon ausgeht, daß die beiden Regierungs chefs das Land in der Vulkan-Krise auch im Nachhinein als weitgehend machtlos sehen. „Wie ein Blitz aus heiterem Himmel“habe ihn die Nachricht von den Finanzproblemen des Konzerns im Sommer überrascht, räumte Scherf ein. Und von Anfang an war klar: „Wir wollten nicht in die Unternehmerrolle hineingeredet werden.“Das aber bedeutete: Es gab keinen Unternehmer. Öffentlich machte Scherf in verschiedenen Situationen gutes Wetter, daß die Medien dabei nicht mitspielten, sondern kritisch nachfragten, machte ihn zunehmend dünnhäutig. Nach sechs Monaten Vulkan-Krise mochte Scherf, so gestand er gestern, morgens nicht mehr Zeitung lesen, gleichzeitig „verständigte“sich aber lt. Protokoll sogar das Wirtschaftskabinett darauf, mit gezielter Presse-Indiskretion den Banken den schwarzen Peter zuzuschieben.
Entsprechend dieser Rollenverteilung beschreibt Scherf auch nachträglich das Scheitern des Vulkan. Von den Banken habe man die Rettungsbemühungen erwartet, diese hätten sich mit Udo Wagner einen neuen Mann „mit großem Kredit“als Nachfolger für den gefeuerten Vulkan-Chef Hennemann gesucht. Daß die Banken, nachdem sie ihre alten Kredite gut abgesichert hatten, wenig Lust verspürten, neu ins Risiko zu gehen und dem neuen Mann keinen Pfennig Kredit auf den Weg gaben, war für Scherf die „große Ernücherung“.
Aber auch die Bemühungen zur Koordination mit den anderen Bundesländern machten auf der propagandistischen Oberfläche mehr Lärm als wirklich dahinter steckte. Schon zu Beginn der Krise im Sommer 1995 traute man dem Kabinett in Schwerin nicht, räumte Scherf ein. Gleichzeitig war aber klar, daß Wirtschaftspolitik, wenn sie denn gemacht werden sollte, nicht von dem kleinen Bremen allein, sondern nur gemeinsam möglich gewesen wäre, beträgt doch der Umsatz des Konzerns fast die Höhe des gesamten Bremer Staatshaushalts. Die Kernfrage für Mecklenburg-Vorpommern, wohin die Ost-Subventionen geflossen waren und wie sie erneuert werden könnten, hat die Bremer Politik aber nie interessiert. Als diese Frage dann im Frühjahr 1996 von Mecklenburg-Vorpommern im Dissens gelöst wurde, mußte der Konzern konkurs anmelden. Und da sich die Bremer Politik in der Vulkan-Krise nicht „in die Unternehmerrolle drängen“lassen wollte, hat sie in den entscheidenden Monaten auch keinen guten Kontakt zu Brüssel gepflegt.
Öffentlich hat Scherf in den langen Krisen-Monaten immer in Optimismus gemacht. Wirtschaftspolitik hat, wie im Ausschuß in den Befragungen deutlich wurde, nicht dahinter gesteckt. Die leeren Versprechungen haben nichts gebracht, die Selbstzufriedenheit ist geblieben. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen