■ Vorschlag: „Verrückt bleiben, verliebt bleiben“ von Elfi Mikesch im Zeughaus-Kino

„Andere Kinder haben Schokolade gekriegt, wir kriegten Arsch voll.“ Wenn Thorsten Ricardo Engelholz sich an die dunklen Exzesse seiner Kindheit erinnert, geschieht das genau und prägnant. Leicht erstaunt und doch etwas röntgenartig schaut der junge Mann dann in die Kamera von Elfi Mikesch.

Nachdem er die ersten Kinderjahre mit dem Bruder in einer eigens vom Vater verbarrikadierten Kammer verbrachte, dann ins Kinderheim und später in die Psychiatrie verbracht wurde, ist Engelholz heute vor allem Schauspieler und passionierter Passagier der U-Bahn (“Zurück bleiben!!!“) Nach Möglichkeit Tag und Nacht und lieber unterirdisch als oberirdisch. Der Blick aus dem Abteilfenster als Vexierbild. Thorsten Ricardo summt eine Melodie dazu.

Ein Grundmotiv des als Porträt konzipierten Films sind Proben. Proben am Theater Thikwa, wo Schauspieler mit und ohne Behinderung gemeinsam spielen. Engelholz als „hallo Woyzeck“ und als Kaspar Hauser. Schließlich als Orpheus – wo?, natürlich in der U-Bahn. Denn „auf die ist Verlaß, die kommt immer wieder, die könnt' ich heiraten, die ist noch nicht vergeben, wie zum Beispiel die Frauen, da weiß ich nie, ob die schon vergeben sind“. Mal im dramatischen Gewand des gewandten Selbstdarstellers, mal als Wörtlichnehmer und Wortdichter fabuliert sich Engelholz durch Mikeschs Film. Vor einer türhohen Leinwand erklärt er ein selbstgemachtes Ölbild. Die Vision völliger Untertunnelung mittels U-Bahn-Schächten kippt später selbstironisch, als er am Potsdamer Platz mit masterplanender Geste suburbane Pläne verlautbart. Außerdem gibt es in diesem privaten Universum noch die Planeten Paradi und Psycha, die allerdings nicht für jeden sichtbar sind, es sei denn auf Thorsten Ricardo Engelholz' Gemälden. Ohne Kommentare und bewertendes Beiwerk wird hier eine Weltentdeckungsreise begleitet, die da aufhört, wo sie begann. Nämlich in der U-Bahn. Diesmal in Budapest und Wien. Gudrun Holz

Premiere heute, 20.30 Uhr, im Zeughaus-Kino, Unter den Linden