SchülerInnen klagen die Unternehmen an

■ Aktionstag für mehr Lehrstellen. Umlagefinanzierung der Betriebe gefordert

Der Tapeziertisch als Richterpult und das schwarze Stofftuch als Robe: Schülervertreter der LandesschülerInnenvertretung (LSV) und der DGB-Jugend halten auf dem Alexanderplatz Gericht über die Unternehmen, die sie für den maroden Lehrstellenmarkt verantwortlich machen. Ein 19jähriger Staatsanwalt klagt die Firmen an: Sie hätten für das vergangene Jahr zehn Prozent mehr Ausbildungsplätze versprochen, statt dessen aber fünf Prozent abgebaut. Da hilft auch das Jammern der Verteidigung über die schlechte wirtschaftliche Lage nicht viel. Der gerade volljährige Richter verurteilt die Unternehmen dazu, den 23.000 Jugendlichen, die im letzten Jahr keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, nachträglich tariflichen Lohn zu zahlen.

Während man auf dem Alex über die Wirtschaft zu Gericht sitzt, boxen die Schüler „Benny Bewerber“ und „Anton Absage“ auf dem Breitscheidplatz um den letzten Ausbildungsplatz – symbolisch versteht sich. Andere Schüler legen sich auf die Wilmersdorfer Straße, um ihre Situation deutlich zu machen. Nach Angaben der Arbeitsämter suchten Ende Mai noch 35.633 Jugendliche in Berlin und Brandenburg eine Lehrstelle. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber bereits nur noch 22.812 freie Plätze.

Im Anschluß an die gestrigen Aktionen übergaben Peter Hartig von der LSV und Marco Steegmann von der DGB-Jugend vor dem Roten Rathaus eine gemeinsame Resolution an Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD). Bergmann sicherte den Jugendlichen ihre Unterstützung zu. Sie teile die Forderung nach mehr Lehrstellen und einer Umlagefinanzierung, erklärte die Senatorin gestern.

Eine Umlagefinanzierung, die seit einiger Zeit in der Diskussion ist, würde bedeuten, daß Betriebe, die nicht ihren Möglichkeiten gemäß Ausbildungsplätze bereitstellen, zahlen müssen. Von dem dadurch anfallenden Geld sollen weitere Ausbildungsplätze finanziert beziehungsweise gefördert werden. Bereits heute werden nach Angaben der LSV 60 Prozent aller Ausbildungsplätze in der Stadt öffentlich gefördert.

SchülerInnensprecher Peter Hartig forderte die SPD gestern auf, endlich die Bundesratsinitiative für eine solidarische Umlagefinanzierung auf den Weg zu bringen. Diese sei bereits geschrieben und müßte lediglich vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.

Anlaß für die Aktionen war ein bundesweiter Aktionstag unter dem Motto „Lehrstellen '97. Tobias Singelnstein