Stadtrat unter Erpressungsverdacht

■ Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Baustadtrat von Weißensee, Rainer Hampel, wegen versuchter Erpressung. Überfällige Baugenehmigung nur bei Verzicht des Bauherrn auf Schadenersatzansprüche

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Rainer Hampel, Baustadtrat von Weißensee, wegen Erpressung. Den Sozialdemokraten haben die Ermittler deshalb im Visier, weil er versucht haben soll, berechtigte Schadenersatzansprüche eines Bauherrn mit einem illegalen Deal abzuwenden. Der Bauherr hatte nach jahrelanger Untätigkeit des Bauamtes die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Justizpressestelle bestätigte gestern, daß im Dezember vergangenen Jahres ein entsprechendes Verfahren eingeleitet wurde, wollte sich aber nicht dazu äußern. „Keine Stellungnahme“, sagte Justizsprecher Rüdiger Reiff. Erpressung wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis fünf Jahre geahndet.

Die Real Contract Bau- und Datenservice GmbH aus Mannheim erwarb 1994 ein Grundstück in der Genroder Straße in Alt- Blankenburg, einem denkmalgeschützten Gebiet in Weißensee. Darauf wollte der Geschäftsführer der GmbH zwei zweigeschossige Wohngebäude mit ausgebautem Dachgeschoß errichten. Weil das Grundstück in einem Bereich liegt, für den keine verbindliche Bauleitplanung besteht, gilt Paragraph 34 der Bauordnung. Das heißt: Das Vorhaben muß sich in die nähere Umgebung einfügen. Obwohl die geplanten Gebäude fast identisch mit einem schräg gegenüberliegenden Wohnhaus sind, so Anwalt Christoph Riese, verweigerte die Behörde den Bauvorbescheid. Begründung: Die geplanten Gebäude paßten sich nicht in die Umgebung ein.

Auch eine Aufforderung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen von Anfang 1995, das Projekt zu bewilligen – „Das Bauvorhaben fügt sich sehr wohl in die Eigenart der näheren Umgebung ein“ –, blieb das Bauamt untätig. Nachdem alle Versuche auf gütliche Einigung gescheitert waren und mittlerweile auch eine Bauförderung ausgelaufen war, drohte der Bauherr im Juni 1995 mit Schadenersatzansprüchen von 3,5 Millionen Mark. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs liegt eine Amtspflichtverletzung bereits dann vor, wenn ein Antrag nicht binnen drei Monaten bearbeitet wird. Da schien endlich Bewegung in die festgefahrene Geschichte zu kommen.

Bei einem Gespräch wenige Wochen später mit dem Baustadtrat und seinem Amtsleiter wurde dem Bauherrn auf einmal versprochen, seinen Antrag umgehend zu bearbeiten. Doch nur unter einer Bedingung: Er müsse auf seine Schadenersatzansprüche verzichten.

Ein unzulässiger Deal, den selbst der Leiter des Stadtplanungsamtes in einem Schreiben an den Bauherrn bestätigt: „Es gab das Vergleichsangebot von Baustadtrat Herrn Hampel“, heißt es, „daß, im Falle eines Verzichts auf Schadensersatzansprüche, er für eine bevorzugte schnellstmögliche Bescheidung eines Bauantrages Sorge trägt.“ 1996 machte der Bauherr seine Ansprüche vor dem Landgericht geltend. Über die Klage wurde noch nicht entschieden. Barbara Bollwahn