Erbgut kommt bald vom Patentamt

Das Europaparlament stimmt zum zweitenmal über die Patentierbarkeit menschlicher Gene ab. Vor allem viele Sozialdemokraten könnten diesmal für die Vorlage stimmen  ■ Aus Straßburg Alois Berger

Vor zwei Jahren hat das Europaparlament den Vorschlag der EU-Kommission, menschliche Gene zur Patentierung zuzulassen, abgewiesen. Jetzt liegt ein neuer Vorschlag auf dem Tisch, und bei der gestrigen Debatte wurde deutlich, daß einige Abgeordnete ihre Meinung geändert haben. Vor allem die sozialdemokratische Fraktion ist gespalten.

„Die Formulierungen sind neu. Der Inhalt ist alt“, schimpfte die SPD-Abgeordnete Evelyn Gebhardt. Doch viele Parteifreunde sehen das anders. Schließlich wurde die Beschlußvorlage von einem aus ihren Reihen, von Willy Rothley, ausgearbeitet. Rothley, in dessen Wahlkreis der Pharmariese Boehringer beheimatet ist, will die früheren Bedenken des Parlaments ausreichend berücksichtigt haben. Der Schutz des Lebens sei gewährleistet, nur Gene, die außerhalb des menschlichen Körpers isoliert wurden, kämen für die Patentierung in Frage.

Die europäische Biopatentrichtlinie soll der forschenden Industrie Rechtssicherheit bei der Patentierung von biotechnologischen Erfindungen geben. Vor allem die Pharmaindustrie drängt darauf, ihre Forschungsergebnisse unter dem Schutz der Patente gewinnträchtig auswerten zu können. Sonst gebe es für die teure Erforschung neuer Medikamente nicht genügend Anreiz. Sollte die Richtlinie scheitern, warnte ein Sprecher von Boehringer Ingelheim, werde dies mittelfristig zu einer weiteren Verlagerung von Forschungsaktivitäten in die USA beitragen. Dort sind Patente auf menschliche Gene längst möglich. Der Großteil der konservativen und liberalen Abgeordneten tritt deshalb für die Richtlinie ein.

Die Grünen sind vehement dagegen. Mit dem neuerlichen Entwurf, meint der österreichische Grüne Johannes Voggenhuber, setze „die EU-Kommission unter dem massiven Druck der Genindustrie auf eine Zermürbungstaktik gegenüber dem Europäischen Parlament“. Er sieht nicht nur ethische Probleme: Durch die Patentierbarkeit von medizinisch wichtigen Entdeckungen werde die Forschungsfreiheit „massiv eingeschränkt“. Er verwies darauf, daß auch der deutsche Ärztebund, wie auch parlamentarische Enquete- Kommissionen in Deutschland und Österreich, die Patentierbarkeit aus diesem Grunde ablehnen.

Sollte das Europaparlament heute für die Richtlinie stimmen, müssen als nächstes die 15 Forschungsminister der EU-Länder darüber befinden. Danach geht der Entwurf mit den Änderungen des Ministerrates noch einmal ins Parlament. Nach aller Erfahrung ist der Ministerrat für die Anliegen der Genforscher aufgeschlossener als das Europaparlament.

Obwohl es keine klare rechtliche Regelung gibt, sind Patente für gentechnisch hergestellte Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen beim Europäischen Patentamt in München bereits in über tausend Fällen erteilt worden. Auch menschliche Gene, etwa Erbinformationen für das Wehenmittel Relaxin, stehen unter Patentschutz.