Geld oder Hiebe für den Rest

■ Indem Ed Rush seine Drum'n'Bass-Monster mit Sentiment ausstaffiert, lockt er die Jeunesse Dorée mit extremen Tönen

Drum'n'Bass ist, trotz erster Ermüdungserscheinungen der Rezipienten und Einbrüchen in der Progression, immer noch eine junge, dynamische Musik, der immer noch niemand glaubhaft das Ende voraussagt. Auch wenn House, speziell jener aus Frankreich, den Sommer besser unterlegt, ist Drum'n'Bass nicht ausgereizt und vor allem längst keine homogene Größe mehr. Wie bei allen neuentstehenden Musikformen tanzte der Geschmackskongreß auch bei Drum'n'Bass wöchentlich etwas anders – je nach der Maxi, die gerade das Gespräch auf sich vereinen konnte.

Ed Rush und seinem Umfeld, der kleinen Plattenfirma No U-Turn, gehörte immerhin der ganze Frühling dieses Jahres, ihre Labelschau Torque war für die innere Zwiebel des Musickosmos so unabdingbar wie „Geld oder Liebe“für den Rest der Republik. Dabei folgt Torque einem einfachen, bekannten Prinzip, das in allen klangorientierten Musiksparten bereits exerziert wurde. Es ist die Grenzsuche, die ernst gemeint nur dann Sinn macht, wenn alle Genresetzungen hinter sich gelassen werden. In diesem Sinne ist die Arbeit von Ed Rush nur ein Schritt, wenn auch ein gewichtiger. Sein Drum'n'Bass ist dunkel, kalt und schlecht gelaunt, er ist zwar nicht unbedingt schneller, aber in jedem Falle härter und im Clubrahmen definitiv auch lauter als alles zuvor.

Das erstaunlichste an diesem Phänomen ist, neben der Musik, die Tatsache, daß es ein solches Zusammentreffen von Musik und Zuhörern noch nie gab. Extreme, die diesen Grad an Konsequenz erreichten, wie Death Metal oder Grindcore, fanden bislang unter Ausschluß jener Menschen statt, die gemeinhin als „jeunesse dorée“oder „Hipster“bezeichnet wurden. Doch hier nun, wo in kleinen Londoner Studios Arbeitsgeräusche aus verfallenen Schiffsdocks über knochentrockenen Breakbeats zurechtgebogen werden, sind sie fast alle dabei.

Vielleicht liegt es daran, daß in diesen Industrial-Monstern eine gehörige Portion Sentiment, wenn nicht gar Romantik, mitschwingt. Ed Rush und seine Familie verschreiben sich nicht der Ästhetik des Datenstroms, sie malen mit 0 und 1 monochrome Ölschinken. Dazu kann der immer wieder beliebte Film Tanzen in der Bronx abgespult werden. Von daher dürfte, auch wenn die Party mittlerweile schon zu Boymerang oder Roni Size weitergezogen ist, Ed Rush im Dachstuhl der Markthalle nicht alleine bleiben.

Holger in't Veld Sa, 19. Juli, 23 Uhr, Upper Level in der Markthalle