■ Welt Weit Grönling
: Unter uns Männern mit Kind

Nein, dieser Begriff wird nicht aus meinen Tasten fließen. Niemals! Schließlich gibt es genug andere Themen, mit denen sich der Kolumnist bei passender Gelegenheit mal auseinandersetzen könnte. Tama-was? Ach, hör auf, das ist doch Kinderkram! Daß ich nicht lache – ein virtuelles Haustier. Darüber haben wir doch im letzten Jahr schon im Internet berichtet. Und überhaupt, glaubst du nicht, daß du Besseres zu tun hast, als dich mit solchem Firlefanz zu befassen?

Offensichtlich nicht. Der Kollege (dessen Namen ich nicht nennen mag, weil er ziemlich bekannt ist) unterbrach die Diskussion, um sein Tamagotchi zu füttern. Ein paarmal täglich muß er das machen, sagt er, sonst wird das nichts. Unglaublich! Wir hatten uns an diesem schönen Sommerabend in einer jener Kneipen verabredet, wo das Bier ganz anständig ist und man draußen sitzen kann. Diskussionsthema war das Leben, das Universum und der Rest des Netzes. Und nun das. Ein erwachsener Mann in gesellschaftlich angesehener Position kramt ein piepsendes, neongelbes Plastikei aus der Jackentasche, drückt ein paar Knöpfe und steckt es wieder weg.

Wo wir stehengeblieben seien, wollte er wissen. Bei der Befriedigung von Ersatzbedürfnissen, warf ich ein – nur so zur Provokation. Ist doch so. Das verstehst du nicht, dafür bist du noch zu klein, sagte er angesichts meines Kopfschüttelns. Und: Das ist Kult, in der ganzen Stadt sind die Dinger ausverkauft. Das Original, wohlgemerkt, nicht die billigen Kopien. Nur wo Tamagotchi draufsteht, ist auch Tamagotchi drin.

Eine knappe Stunde später piepst es wieder. Nun muß er per Knopfdruck ein Häuflein Scheiße wegräumen, das sein Untier auf dem Display hinterlassen hat. 28 Jahre sei es jetzt alt, das entspricht 28 Menschentagen. Die Viecher seiner Kollegen seien alle schon tot, und neulich haben sie in der Redaktion eine richtige Trauerfeier veranstaltet. Dabei fällt mir auf, daß sich – neben den Kindern – immer nur eine gewisse Sorte Männer mit solchen Dingen beschäftigt. Die gleichen, die unbedingt ein Handy haben mußten, als das vor ein paar Jahren gerade in war, und die sich stundenlang damit beschäftigen, aus einer Modemkonfiguration noch ein paar Prozent mehr Performance herauszukitzeln, nur um ein paar Sekunden Übertragungszeit zu sparen. Kurz: Männer, deren größtes Unglück es ist, wenn ihnen irgend jemand weismachen will, daß sie schließlich erwachsen seien und die Spielereien vielleicht doch besser lassen sollten. Aber wir denken nicht daran... Dieter Grönling

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