■ Die Novellierung des Atomgesetzes schwächt die Länder
: Ein Etappensieg für die Atomindustrie

Wenn es um Atomkraft geht, schert sich die Bundesregierung wenig um rechtsstaatliche Grundsätze. Sie will nun die wenigen verbliebenen Möglichkeiten abschaffen, die Pläne der Atomwirtschaft zu durchkreuzen: AKWs sollen künftig wie Autos unabhängig vom Standort zugelassen werden. Die Sicherheitstechnik muß nicht mehr die bestmögliche sein – das erspart teure Nachrüstungen in alten Kraftwerken.

Für die Enteignung des Salzstocks Gorleben wird extra ein Gesetz erlassen, obwohl eine solche Einzelfallregelung nach allgemeiner Ansicht dem Grundgesetz widerspricht. Und da das Zwischenlager bei Gorleben aufgrund der Massenproteste nur mehr mühsam und mit einem hohem Aufwand an Sicherheitskräften zu erreichen ist, wird schnell eine zweite Castor-Front im bisher gefügigeren Westfalen bei Ahaus eröffnet.

Um das Ganze gegenüber den Ländern und der SPD durchzusetzen, werden wohl die Atomkraft und die Subventionen für die kampfstarken Kohlekumpels gemeinsam in einem Gesetz in den Bundesrat eingebracht. Dann kann sich die SPD überlegen, ob sie das ganze Gesetz und damit auch die Kohlehilfe blockiert oder aber, ob sie sich selbst entmachtet und das Gesetz grollend als „nicht zustimmungspflichtig“ passieren läßt. Letzteres hätte zumindest einen Vorteil: Wenn Rot-Grün die Bundestagswahlen 1998 gewinnt, könnten sie die Änderungen ebenfalls mit ihrer Parlamentsmehrheit wieder rückgängig machen. Die langfristige Sicherheit für den Bestand ihrer AKWs, die die Atomindustrie fordert, ist deshalb auch mit dem neuen Atomgesetz nicht gegeben. Aber bis zur eventuellen Gesetzesänderung durch eine neue Regierung könnten die Stromkonzerne sich Luft verschaffen und ihre derzeit vollen Lager Richtung Ahaus oder Morsleben entsorgen.

Gleiches gilt, wenn die von der Einlagerung betroffenen Bundesländer vor den Verfassungsrichtern ihre Zustimmung einklagen oder gar das Gesetz per Gericht kippen sollten. Denn solche Verfahren dauern Jahre. Mehr noch als Rot-Grün in Bonn brauchen die vom Atommüll betroffenen Regionen also vor allem eines: Einigkeit gegen die Zwischen- und Endlager. Und die Unterstützung der Anti-Atom-Bewegung. Denn nur Blockaden wie im Frühjahr gegen die Castoren im Wendland werden verhindern, daß die Atomindustrie einen schnellen und billigen Ausweg aus dem Abfalldilemma findet. Reiner Metzger