Clement warnt Merkel

■ Überraschende Wende des Ministers bei Transporten nach Ahaus

Düsseldorf (taz) – Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat gestern die Bundesregierung davor gewarnt, die angekündigten Atommülltransporte nach Ahaus zu realisieren. Wer jetzt die Castor- Behälter mit dem hochradioaktiven Müll aus den süddeutschen Atomkraftwerken ins Zwischenlager nach Ahaus bringe, werde „ein zweites Gorleben schaffen“. Der von Bundesumweltministerin Angela Merkel für Ende des Jahres angekündigte Transport sei „absolut falsch“. Statt im Alleingang Fakten zu schaffen, solle die Bundesregierung „die Bemühungen, zu einem Entsorgungskonsens zu gelangen, fortsetzen“, sagte Clement. Er sehe weiterhin „große Chancen“ dafür. Alleine könne Bonn die gestern im Kabinett verabschiedete Atomrechtsnovelle ohnehin nicht umsetzen, da das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfe – was die Bonner Regierung vehement bestreitet.

Daß Clement sich jetzt so deutlich gegen den Castor-Transport nach Ahaus positioniert, kommt schon überraschend. Innerhalb der SPD-Führung zählte der Düsseldorfer Wirtschaftsminister bisher zusammen mit Gerhard Schröder zu den vehementesten Befürwortern der Energiekonsensgespräche. Im Rahmen einer Gesamtlösung wären beide sogar bereit gewesen, ein standortunabhängiges Genehmigungsverfahren für einen neuen Reaktortyp zu tolerieren. Weil sie für diesen Kurs weder im Präsidium noch im Parteivorstand der SPD ausreichend Zustimmung fanden, kam der große Energiekonsenszug schnell zum Stoppen.

Es folgten die Entsorgungskonsensgespräche, diesmal unter der Leitung von SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering und Schröder. Noch im April schien eine Einigung unmittelbar bevorzustehen. Müntefering skizzierte den Kompromißweg damals in der Neuen Rhein-Ruhr-Zeitung so: „Der rücklaufende Atommüll aus Frankreich und den norddeutschen Kraftwerken kann in Gorleben zwischengelagert werden, die übrigen Brennstäbe aus Süddeutschland unmittelbar in den Kraftwerken und in Ahaus.“ Davon ist nun bei der NRW-SPD nicht mehr die Rede.

In ihrem Koalitionsvertrag haben die rot-grünen Koalitionäre in Düsseldorf versprochen, sich dafür einzusetzen, daß Ahaus „ausschließlich für Abfälle aus NRW genutzt wird“. Clement wies gestern aber erneut darauf hin, „daß wir das rechtlich gegenüber Bonn nicht durchsetzen können“. Die Düsseldorfer Regierung sei aber entschlossen, „mit allen politischen und rechtlichen Mitteln zu verhindern, daß Ahaus mehr wird als ein Zwischenlager“. Walter Jakobs