Europaparlament macht Genforschung lukrativer

■ Künftig können Pharmakonzerne an Gen-Patenten kräftig verdienen. Die Beschreibung des Gens reicht aber nicht, Forscher müssen auch den Nutzen angeben

Brüssel (taz) – Das Europaparlament hat gestern in Straßburg die ethische Grenze für die Forschung verschoben. Künftig wird es sich für die Industrie noch mehr lohnen, an menschlichen Genen und Zellen zu forschen. Denn die Entdeckungen sollen für zwanzig Jahre patentierbar sein. Mit einer überraschenden Dreiviertelmehrheit haben die Abgeordneten den Gesetzentwurf für Gen-Patente beschlossen.

Zwar wurde der Entwurf des SPD-Abgeordneten Willy Rothley abgeschwächt und Bedingungen eingebaut, doch die heikle Quintessenz bleibt: Menschliche Gene sollen patentierbar sein. „Die Lobby-Interessen der Biotech-Industrie haben sich durchgesetzt“, klagte die Fraktionschefin der Grünen, Claudia Roth. Das Gesetz, das noch vom EU-Ministerrat bestätigt werden muß, könnte bereits Ende des Jahres in Kraft treten. Noch vor zwei Jahren hat das Europaparlament einen ähnlichen Entwurf aus ethischen Gründen abgelehnt. Doch diesmal ließen sich vor allem die sozialdemokratischen Abgeordneten von den Warnungen der Pharmaindustrie beeindrucken, ohne Patentierung werde die Forschung weiter in die USA abwandern.

Die EU-Richtlinie soll vor allem die Rechtssicherheit für Forscher erhöhen und Grenzfälle klären, denn in einzelnen EU-Ländern werden längst Gen-Patente vergeben. Eindeutig nicht patentierbar ist das Klonen von Menschen, die Forschung an Embryonen, Eingriffe in die menschliche Keimbahn sowie die bloße Entdeckung eines Gens, seiner Struktur und Wirkung auf die menschliche Entwicklung. Um ein EU-Patent zu bekommen, muß ein Forscher dagegen künftig ein Paket von Neuerungen vorweisen: Er muß das entdeckte Gen isolieren und vervielfältigen können und den gewerblichen Nutzen erklären.

Zum Beispiel unter der Nummer „EP 0 343 217 B1“ hat das Europäische Patentamt der US- Firma Biocyte im Mai „Zellen aus Nabelschnurblut“ geschützt. Solche Zellen dürfen künftig nur mit Zustimmung von Biocyte gehandelt und verwendet werden. Sie sollen für die Behandlung von Krebs eingesetzt werden. Ohne diesen Verwendungsnachweis gibt es künftig kein Patent mehr.

Umstritten ist, ob solche Patente die medizinische Forschung nun fördern oder behindern. Für die Grünen im Europaparlament macht die Richtlinie nicht nur menschliche Zellen zur Ware, sie blockiert auch die Verbreitung von medizinisch wichtigen Forschungsergebnissen. Um einen finanziellen Anreiz für die Forschung zu geben, würde es Wissenschaftlern zufolge völlig ausreichen, nur die Verfahren zur Gewinnung und Verwertung dieser Zellen zu patentieren anstatt die Zellen als Ganzes. Alois Berger