„Unser Mann“bei der Unesco-Konferenz

■ Was treibt eigentlich der Hamburger Achim Meyer auf der Heyde im CCH? Er lernt hinzu.

taz: Auf der Unesco-Konferenz für Erwachsenenbildung wimmelt es nur so von Premierministern – Sie sind nur Leiter des Hamburger Amtes für berufliche Bildung und Weiterbildung, was treiben Sie hier so?

Achim Meyer auf der Heyde: Ich bin hier als Mitglied der deutschen Delegation. Alle 150 Länder haben ja Delegationen geschickt, da ist natürlich auch die Arbeitsebene aus den jeweiligen Ministerien vertreten. Und ich suche nach Lösungsansätzen, die wir auf Deutschland übertragen können.

Hamburg nimmt sich wie ein Lern-Eldorado aus neben beispielsweise Bangladesh mit seiner hohen Analphabetenzahl. Alles wunderbar also?

Hamburg ist zwar Weiterbildungsmetropole – knapp 50 Prozent der Hamburger haben sich seit Ende der 80er Jahre an Weiterbildungsmaßnahmen beteiligt, der Bundesdurchschnitt liegt bei 37 Prozent. Aber das gilt es natürlich auszubauen. Schließlich ist Bildung eine der wenigen Ressourcen in unserem rohstoffarmen Land.

Aber das Arbeitsamt fördert nur noch fünf Prozent der Weiterbildungsmaßnahmen.

Das ist richtig. Es gibt aber eine sehr hohe Bereitschaft der einzelnen, selbst dafür zu zahlen. Und diese Eigenleistung ist sogar höher als die Aufwendungen der Wirtschaft für Weiterqualifizierung.

Abgesehen von der Finanzierung von Bildung – haben andere Länder Ideen, die Sie abgucken können?

Ein Problem bei uns ist die mangelnde Existenzgründungsbereitschaft. Das hängt auch damit zusammen, daß Umschulungen nur die abhängige Beschäftigung zum Ziel haben. In angelsächsisch orientierten Ländern, aber auch in Süd-europa richten sich die Qualifizierungskonzepte viel stärker auch auf die Existenzgründung. Ein deutscher Arbeitsloser, der sich selbständig machen will, bekommt nur weiter seine Lohnersatzleistung gezahlt. Fachliche Kenntnisse oder Wissen über Betriebsführung aber bekommt er nicht bezahlt.

Öffentlich bezahlt wird in Deutschland berufliche Weiterbildung ohnehin erst dann, wenn die Leute in den Brunnen gefallen, also arbeitslos sind.

Ja, die präventive Arbeitsmarktpolitik ist stark zurückgefahren worden. Die Leute müssen arbeitslos sein und neuerdings sogar längerfristig arbeitslos sein, bevor die Förderung greift. Das kann aber nicht der Sinn der Sache sein.

Ist das in anderen Ländern anders?

In Dänemark zum Beispiel gibt es das Job-Switchmodell: Wenn da Beschäftigte weiterqualifiziert werden und dafür den Betrieb verlassen, werden ihre Arbeitsplätze solange zur Qualifizierung von Arbeitslosen eingenommen. So haben wir einen doppelten Effekt: Der Beschäftigte qualifiziert sich weiter, und gleichzeitig hat ein Arbeitsloser die Chance, sich Kompetenzen anzueignen.

Könnte Deutschland auch von ärmeren Ländern etwas lernen?

Sicher. Vor kurzem ist in Berlin der Erfinder der Armenbank geehrt worden – sehen Sie sich mal bei uns die Kreditgewährung an für Leute, die eine Existenz begründen wollen und die nichts vorzuweisen haben: Die werden nichts. Und in Bangladesh liegt die Rückzahlungsquote bei 98 Prozent. Das ist ein Konzept, das man sehr wohl auf die Bundesrepublik übertragen könnte – bei fünf Millionen Arbeitslosen.

Fragen: Christine Holch