Schüchternheit ist fehl am Platz

■ Denn Salsa ist Sex: Kubas Bamboleo bei den Heimatklängen im Tempodrom

Wie sie da auf die Bühne marschieren, die beiden Jungs im Jackett und mit Glatze bzw. modischem Kängol-Käppi, die Sängerinnen ebenfalls kahlgeschoren und im hautengen Hosenkleid, das hat schon Klasse. Hinter ihnen postiert sich die zehnköpfige Band, ganz klassisch von Kopf bis Fuß in strahlendem Weiß – so stellt man sich Star-Anwärter für ein panlateinamerikanisches MTV vor. Die Gruppe entspricht so gar nicht dem landläufigen Klischee der karibischen Schnulzenkapelle, das Salsa-Gruppen häufig anhaftet. Nein, Bamboleo, Kubas jüngste Salsa-Hoffnung, würde auch auf dem Cover von Vibe oder Straight no chaser eine gute Figur machen. Womit vor allem eins bewiesen wäre: Kubas Jugend kann in puncto Hipness ohne weiteres mit den kapitalistischen Nachbarn mithalten, ohne als billige Kopie daherkommen zu müssen.

Auch das brechend volle Tempodrom nehmen Bamboleo (die definitiv nichts mit dem gleichnamigen Gipsy-Kings-Titel zu tun haben) fast wie im Sturm: Direkt springen sie dem Publikum ins Gesicht und machen von der ersten Sekunde an mit saftiger Percussion und funkigen Bläsern Druck. Das Gesangsquartett, der Blickfang der Formation, schleudert dazu eine gehörige Portion Erotik von der Bühne. Denn Salsa ist Sex, demonstrieren die Young Salsa Rebels. Je länger das Konzert und je eingespielter die Band, desto frecher die kreisenden Kopulationsbewegungen. Animation, die auch hartgesottene Salsa-Verächter zum Hüftschwung zwingt. Allerdings traut sich dann doch keiner, die eindeutigen Posen nachzutanzen, es bleibt beim schüchternen Powackeln.

Markant setzen sich die brandheißen Salsa-Newcomer aus Havanna in Stil und Auftreten von Jesús Alemany ab, dem Crooner alter Song-Schule, der vergangene Woche die Heimatklänge-Partywochen eröffnete. Aber was sie spielen, ist immer noch ziemlich lupenreiner Salsa, mit bestenfalls minimalen Anleihen in Richtung Rap oder Soul. Denn so radikal, wie der erste Anschein vermuten läßt (das Programmheft spricht von Kubas Antwort auf Skunk Anaskasie), klingen sie dann doch nicht. Aber warum auch? Warum sollte man eine Musik neu erfinden, die soviel Spritzigkeit, Eleganz und juvenile Potenz birgt wie Salsa? In ihrem Auftritt flechten Bamboleo einige Standards des handelsüblichen Bühnenrepertoires ein, fordern zum Mitklatschen, Mitsingen und Armeschwenken auf, und zum wunderschön schmalzigen Duett blicken sie sich eindringlich in die Augen.

Lázáro Valdés, der Pianist und Strippenzieher im Hintergrund, hat sorgfältig studiert, was im Showgeschäft heutzutage so dazugehört. Bamboleos Sound jedoch, von ihm arrangiert, dürfte auch konservative Salsa-Aficionados kaum verschrecken. Rock oder HipHop, von Techno-Spielereien einmal ganz zu schweigen, haben auf der Insel offenbar wenig Eindruck gemacht – und das nicht nur wegen der Blockade, die Kuba davor bewahrt hat, zum naheliegenden Absatzmarkt für amerikanischen Pop-Mainstream zu werden. Salsa, der kubanische Pop, ist einfach immer noch viel zu lebendig, als daß er Konkurrenz fürchten müßte. Nicht zuletzt dank Nachwuchs wie Bamboleo, der dem kubanischen Sound immer wieder neue Verjüngungskuren verpaßt. Vor gerade mal zwei Jahren von Absolventen der, wie es heißt, besten Musikschulen Kubas gegründet, hat sich die Gruppe in ihrer Heimat in kürzester Zeit zum höchst angesagten Act entwickelt. Auch die Heimatklänge-Crowd mag nicht genug kriegen, und so springen die Gefeierten noch mal schnell zurück on stage, nachdem sich die Tempodrom-Chefin eigentlich gerade von ihren Gästen verabschiedet und den Abend für beendet erklärt hat. Die Chancen stehen gut, daß die Band noch weit über den Tiergarten hinaus Furore machen wird. Jung genug sind sie schließlich. Daniel Bax

Heute und morgen ab 21.30 Uhr, Sonntag ab 16 Uhr