Feilschen um die Bezirksreform

■ Diepgen und Schönbohm versuchen dem Rat der Bürgermeister die Bezirks- fusion schmackhaft zu machen. Diepgen schließt Volksabstimmung nicht aus

„Man kommt sich vor wie im Bazar“, schimpfte der Weddinger Bezirksbürgermeister Nisblé gestern nach der Sitzung des Rates der Bürgermeister (RdB). Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und Innensenator Jörg Schönbohm versuchten gestern, den 23 Bezirksoberhäuptern die Zusammenlegung der Bezirke (von 23 auf 12) schmackhaft zu machen: Da in den Bezirksverordnetenversammlungen insgesamt 495 Sitze wegfallen, sollen in den neu zusammengelegten Stadtteilen die Zahl der Bezirksverordneten – je nach Einwohnerzahl – von 45 auf bis zu 55 erhöht werden können.

Ein Votum wollten die Bürgermeister dazu gestern nicht abgeben. Es stehe ihnen nicht zu, über die Größe des sie kontrollierenden Gremiums zu entscheiden, hieß es. Über die sogenannte Bandbreitenregelung sollen die BVV-Vorsteher mit dem Innensenator beraten.

Auch beim Thema Volksabstimmung zeigte sich Diepgen gestern entgegenkommend: Ein solches Bürgervotum wollte er nicht ausschließen – obwohl die Innenverwaltung es aus rechtlichen Gründen für unzulässig hält. Zwar wolle Diepgen die Volksabstimmung im Grunde nicht, doch wenn es sein müsse, sei er dazu bereit, hieß es aus Senatskreisen.

Aus den Reihen der Bürgermeister wurden dagegen nochmals grundlegende Einwände gegen die Gebietsreform vorgebracht. „Über die Kosten der Bezirkszusammenlegung verliert der Entwurf kein Wort“, bemängelte Nisblé. Immerhin rechne Schönbohm jetzt nur noch mit 165 Millionen Mark Ersparnis, statt zuvor 220 Millionen. Unzufrieden sind SPD-, Grünen- und PDS-Politiker mit den Senatsplänen, das politische Bezirksamt bis zum Jahr 2010 auszuschließen. „Das ist nicht hinnehmbar“, sagte die Charlottenburger Bürgermeisterin Monika Wissel (SPD) gestern. Sie hätte dies lieber noch als Verhandlungsmasse gesehen.

Nisblé kritisierte, daß von Schönbohms Versprechen, den zusammengelegten Bezirken Bürgerbüros zu finanzieren (Kosten: 1 Million Mark pro Büro) nicht mehr die Rede sei. An die eigene Parteispitze richtete Nisblé die Kritik, daß keine der Bedingungen, die der SPD-Parteitag für eine Zustimmung zur Bezirksreform gestellt hatte, erfüllt worden sei. Auch seien Forderungen des RdB wie eine Stärkung der bezirklichen Haushaltsrechte nicht berücksichtigt.

Die SPD-Bürgermeister wollen in der nächsten Woche zu einer Klausurtagung zusammenkommen. Nach Schönbohms Zeitplanung ist mit einer Entscheidung des Parlaments nicht vor November – nach dem CDU-Parteitag – zu rechnen. Dorothee Winden