Gericht storniert Zwangseinkauf

■ Verwaltungsgericht spricht Asylbewerbern Recht auf Einkauf in mehreren Läden zu. Die bisherige Praxis des zentralen Verkaufs benachteiligt die Flüchtlinge: Weniger Leistungen als gesetzlich gefordert

Die umstrittene Regelung für die zentrale Versorgung von AsylbewerberInnen in zwei Magazinläden ist in Teilen rechtswidrig. Das geht aus einem gestern veröffentlichten Urteil des Verwaltungsgerichts hervor. Demnach verhindert die Praxis der Innenbehörde, daß die AsylbewerberInnen die volle Höhe der ihnen zustehenden Leistungen bekommt. Das Verwaltungsgericht verpflichtete in einer einstweiligen Anordnung die Innenverwaltung, einer libanesischen Familie Wertgutscheine zur Verfügung zu stellen, mit denen diese auch in anderen Geschäften als nur in den zwei zentralen Magazinläden einkaufen können.

Eine Asylbewerberfamilie aus dem Libanon hatte gegen die augenblickliche Praxis der Versorgung geklagt. Seit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes am 1. Juni müssen rund 2.200 AsylberwerberInnen, die in Wohnheimen leben oder von der Zentralen Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA) betreut werden, ihre Lebensmittel bargeldlos in zwei Magazinen erwerben, die von der privaten Sorat GmbH betrieben werden. Im Gesetz heißt es aber, daß anstelle von Sachleistungen auch Wertgutscheine oder Geld im gleichen Wert gewährt werden können.

In ihrer Klage hatte die Familie angegeben, daß ein Familienmitglied wegen einer früheren Herzmuskelentzündung eine besondere Ernährung benötige, die in den Magazinläden nicht zur Verfügung stehe. Außerdem seien die dort erhältlichen Produkte oftmals teurer als in „normalen“ Läden. So betrage der Preisunterschied bei Sonnenblumenöl 40 Pfennig, bei Hähnchen sogar 3,31 Mark.

Das Gericht stellte fest, daß die Leistungen der Innenbehörde weder aus Geld noch aus Sachleistungen bestehe. Vielmehr gebe die Verwaltung Gutscheine für die Übernahme von Kosten aus. Diese müßten laut Gesetz aber den Sach- oder Geldleistungen gleichwertig sein. Der Bedingung des gleichen Wertes wird „der von der Innenverwaltung ausgegebene und auf einen Magazinladen beschränkte Kostenübernahmeschein nicht gerecht“, schreibt das Gericht in der Urteilsbegründung. Da die Waren in den privat betriebenen Magazinläden teilweise deutlich über den Preisen in normalen Supermärkten liegen, habe der „ausgegebene Kostenübernahmeschein nicht dieselbe Kaufkraft wie Bargeld oder wie in verschiedenen Geschäften einsetzbare Kostenübernahmescheine.“ Das aber ist nicht zulässig.

Deshalb entschied das Gericht, daß die Familie in Zukunft Gutscheine bekommen müsse, die in anderen Läden einlösbar seien: Eine Absage an die Politik der zentralen Magazinläden.

Die Sprecherin von Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) erklärte gestern, daß die Sozialverwaltung gegen das Urteil Beschwerde einlegen werde. Da es sich um ein schwebendes Verfahren handele, wolle man sich zu dem Urteil nicht weiter äußern, so Sprecherin Gabi Lukas. Jedoch müsse die Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Berlin „modifiziert“ werden: „Es wird nicht bei zwei Läden bleiben“, kündigte Lukas an. Julia Naumann

Az: VG Berlin 8A 372.97 vom 27.6.