Mensch, schon' dich doch, Siggi!

■ Siegfried Kuppkes Weg bis zum dicken Wessi: „Kuppke“, ein Fernsehspiel wie das wirkliche Leben (arte, 20.45 Uhr)

Es erwischt Siggi Kuppke mitten auf der Landstraße: Das Herz verkrampft sich, Atemnot, Todesangst, Infarkt. Trotz seines gewaltigen Leibesumfangs (immerhin wird er von Schwergewicht Dieter Pfaff verkörpert) überlebt der rastlose Ingenieur.

Aber nein, jetzt kommt kein geheimnisvoller Aktenkoffer ins Spiel, keine gefährliche Erbschaft und kein manipuliertes Medikament, das hat „Kuppke“ gar nicht nötig. Denn „Kuppke“ beschreibt einfach nur das Leben der Hauptfigur.

Nicht spannend? Schlicht? Ganz im Gegenteil. Im Krankenhaus, unter Drogen, deliriert Kuppke und erinnert sich an einschneidende Erfahrungen seines Lebens: an die Kindheit in den letzten Kriegsjahren, an die Flucht in den Westen, an die Romanze mit seiner Frau, an den Streß im Büro. Episoden, die Regisseurin Claudia Prietzel, Co-Autor Peter Henning und Kameramann Johannes Hollmann mit scharfem Blick in Szene gesetzt haben. Sei es die Auswahl der Schauspieler (Oliver Bröcker perfekt als Kuppke in jungen Jahren, Dieter Pfaff sowieso), oder die Ausstattung, selbst das Filmmaterial und die Farbgebung passen in die jeweils dargestellte Zeit. Weil sich der Film stark am wirklichen Leben orientiert, wirkt seine Vielschichtigkeit nicht aufgesetzt.

Kuppke bietet alles in einem: Vater-Sohn-Drama, deutsch-deutsche Geschichte, Lovestory, sozialkritische Arbeitsplatzstudie. Während Kuppke sich erinnert, erfahren wir alles über ihn. Wir lernen ihn kennen, verstehen seine Entwicklung vom jungen, ehrgeizigen Mann, der nicht in die LPG will und deshalb in den Westen abhaut, bis zum dicken Wessi, ständig unter Druck, angeberisch und in ständiger Angst um seinen Arbeitsplatz. Dieter Pfaff ist mit seinem cholerischen Gebrüll und wilden Schnaufen daran schuld, daß auch wir beim Betrachten in ständiger Angst leben: Gleich wird's ihn erwischen. Mensch, Siggi Kuppke, schone dich doch! So kann das doch nicht weitergehen.

Claudia Prietzel und Peter Henning haben es geschafft, in nur neunzig Minuten einen Menschen lebendig werden zu lassen, und danach lassen sie ihn wieder sterben. Anderswo fliegen massenhaft Autos durch die Luft, Hubschrauber ebenso, nacktes Fleisch räkelt sich im Bild – Kuppke ist anders. Kuppke ist das Leben. Stefan Kuzmany