„Alles, was wir haben, ist Angst“

■ Fadil Sulejmani, Rektor der Universität von Tetowo, über die Situation der albanischen Minderheit in der Republik Makedonien

Tetowo im Nordwesten Makedoniens wird mehrheitlich von Albanern bewohnt. Die dortige Universität mit ihren rund 4.000 Studenten gilt als Keimzelle einer albanischen Autonomiebewegung.

taz: Bei den Demonstrationen in Gostivar wurden vier Menschen getötet und zahlreiche Demonstranten von der Polizei zusammengeschlagen. Fast fünfhundert Menschen wurden verhaftet. Wie ist dieser plötzliche Ausbruch von Gewalt zu erklären?

Fadil Sulejmani: Fünfzig Jahre lang bis heute hat die makedonische Regierung Haß gegenüber den Albanern geschürt, die Menschen wurden in diesem Geist erzogen. Die Vorfälle von letzter Woche sind ein Resultat davon.

Welche Konsequenzen haben die Vorfälle von Gostivar?

Das ist ein großer Rückschlag für die Beziehungen zwischen Makedoniern und Albanern. Die Albaner fühlen sich verraten, sie haben jetzt endgültig kein Vertrauen mehr in eine Regierung, die schlagen und töten läßt. Zu Zeiten des Kommunismus durften die Albaner ihre Fahne aufhängen. Jetzt, unter einem demokratischen System, dürfen sie das nicht mehr. Die Situation kann noch eskalieren. Das könnte im Herbst der Fall sein, wenn die Universität in Tetowo wieder ihren Lehrbetrieb aufnimmt. Denn alle Albaner in Makedonien stehen hinter dieser Universität.

Welche Perspektiven sehen Sie für das Zusammenleben von Albanern und Makedoniern?

Wir fordern das Recht auf eigene nationale Symbole, wie die albanische Fahne, und auf den uneingeschränkten Gebrauch unserer Muttersprache an der Universität. Hinter diese Forderungen werden wir keinen Schritt zurückgehen. Die Albaner in Makedonien haben nichts mehr zu verlieren. Eine Perspektive für ein friedliches Zusammenleben in Makedonien wird es nur dann geben, wenn uns diese Rechte zugestanden werden. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Die Regierung sieht in den Albanern nur billige Arbeitskräfte. Wir wollen Gleichberechtigung und in diesem Land nach europäischen Standards leben.

Bislang gibt es aus dem Westen kaum Reaktionen auf die jüngsten Ereignisse in Makedonien.

Die westlichen, demokratischen Staaten müssen die Rechte anderer Völker verteidigen. Was haben wir denn sonst? Die Albaner in Makedonien stehen mit leeren Händen da. Wir besitzen keine Polizei, keine Waffen und kein Militär. Alles, was wir haben, ist Angst. Und wir sind in Gefahr. Deshalb brauchen wir, nötiger denn je, jetzt einen Fürsprecher in der Welt. Interview: Barbara Oertel