Tunnelbauer tappen im dunkeln

■ Unfallursachen unterm Berliner Tiergarten ungeklärt

Berlin (taz) – Setzen die Bauarbeiter im Berliner Tiergartentunnel den Preßlufthammer an, müssen sie damit rechnen, auf Wasser zu stoßen. Denn der Rohbau der Eisenbahnröhren unter dem Potsdamer Platz ist ein sensibles Gebilde: Immer wieder drückt das Grundwasser durch kleine Risse und Löcher. Auch das bislang größte Leck, durch das in der vergangenen Woche ein Tunnelstück geflutet werden mußte, haben die Baufirmen bislang nicht im Griff. Horst Heller, Sprecher der Bahn AG, räumte gestern ein: „Wir haben weder Untersuchungsergebnisse zu den Ursachen noch ein verbindliches Lösungskonzept.“

Für heute hatte die Bauherrin, die Deutsche Bahn Projektgesellschaft Knoten Berlin, einen genauen Bericht über den Unfall angekündigt. Doch die Untersuchung verzögert sich, und die Baustelle steht weiter still. Erst gestern begannen Taucher, in dem gefluteten Rohbau mit Videokameras das Leck zu filmen. „Vorher war das Wasser zu trübe“, sagte Kurt Brink, Sprecher der leitenden Baufirma Hochtief.

Am Donnerstag vor einer Woche hatte sich das Grundwasser seinen Weg durch eine fünf Meter starke, unterirdische Dichtwand gebahnt. Dahinter entfernten Bauarbeiter gerade Teile der Betonwand des Tunnels, um die riesige Bohrmaschine anzusetzen, die die Röhre in Richtung Regierungsviertel graben soll. Durch ein kleines Loch in der Betonwand kam den Arbeitern plötzlich mit enormem Druck das Grundwasser entgegen: Die Feuerwehr pumpte den Tunnel mit Wasser voll, um größere Schäden zu verhindern.

„So bald wie möglich erwarten wir die Sanierungsvorschläge der Firmen“, sagte Bahnsprecher Heller. Ob das in einer oder zwei Wochen passiert, steht in den Sternen. Zuvor muß erst noch ein Gutachter im Rahmen eines gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens den Unfall erforschen. Auf dieses zeitraubende Verfahren haben sich die Bahn und Hochtief geeinigt, weil Streit droht. Wer soll den Millionenschaden bezahlen?

Auf jeden Fall, so erklären Bahn und Baukonzern aber, werde der Tunnel – Herzstück des neuen Berliner Verkehrssystems – wie geplant 2002 in Betrieb gehen. Und schon 1998 liege der Deckel auf der Röhre im Regierungsviertel. Hier aber ist der Zeitplan besonders eng. In sechs Wochen sollen die Bohrarbeiten beginnen. Doch auch vor dem Reichstag steckt in der Erde eine Dichtungswand von der Art, die vergangene Woche brüchig wurde. Wenn der Gerichtsgutachter zusätzliche Baumaßnahmen fordert, gerät der Terminplan in Gefahr. Und mit ihm der baldige Bau des Regierungsviertels und der Umzug des Bundeskanzlers. Hannes Koch