Die Preise purzeln

Die „kostenorientierte Vergütung“ für Solarstrom macht mittelständischen Betrieben zu schaffen  ■ Von Ole Schulz

Gesunder Wettbewerb oder ruinöser Preisdruck? Seit einem halben Jahr bezahlt die Bewag eine „kostenorientierte Vergütung“ für die Einspeisung von Solarstrom in ihr Netz. Nach jahrelangem Gerangel um eine angemessene Finanzierung hat sich der Stromerzeuger mit dem Programm „Bewag 2000“ dazu verpflichtet, für die kommenden vier Jahre jeweils rund fünf Millionen Mark für die Förderung des Sonnenstroms aufzubringen. Das vorläufige Ergebnis: Seit Januar wurden 48 Anlagen bezuschußt. Damit habe Berlin den „größten Zuwachs an Solaranlagen bundesweit“, wertete Umweltsenator Peter Strieder (SPD) vor zwei Wochen die Einführung der kostenorientierten Vergütung als vollen Erfolg.

Die Kehrseite der Medaille: Durch die „Solarstrombörse“ der Bewag wurde der Preis, der pro Kilowattstunde Sonnenstrom gezahlt wird, erheblich gesenkt – dadurch müssen diejenigen, die sich Sonnenkollektoren aufs Dach setzen, nicht nur zunächst einmal selbst draufzahlen, es sind auch einige der mittelständischen Solarbetriebe unter Druck geraten: Zwei Berliner Firmen, die „EnergieBISS“ und „Park“, sind in den letzten Wochen bereits pleite gegangen.

Der Grund für den Preisverfall, den Strieder als funktionierenden „Marktmechanismus“ preist, liegt in der besonderen Konstruktion der Solarstrom-Förderung in Berlin: Während etwa 20 Kommunen und Städte in der Bundesrepublik die Erzeuger-Kosten von rund 1,80 Mark pro Kilowattstunde Solarstom vollständig übernehmen („kostendeckende Vergütung“), haben sich die Bewag und der Senat auf einen Fördermix geeinigt: Zum einen gibt es einen Zuschuß von 50 Prozent pro Kilowatt Leistung bei der Installation einer Solaranlage. Zum anderen erhalten die Betreiber 15 Jahre lang eine erhöhte Vergütung pro Kilowattstunde Sonnenstrom, damit sich ihre Investition langfristig amortisiert.

Die Crux bei der Vergütung: Der Preis, den die Bewag zahlt, ist nicht festgeschrieben, sondern wird vierteljährlich auf einer „Solarstrombörse“ ermittelt – die billigsten Bieter erhalten den Zuschlag. Statt dem vertraglich festgeschriebenen Maximalpreis von 81 Pfennig pro Kilowattstunde zahlt die Bewag derzeit nur rund 70 Pfennig. „Wegen der hohen Subventionen, die das Land Berlin bis Ende vergangenen Jahres für die Installation von Solaranlagen gezahlt hat, liegen die Preise in Berlin weit über dem Bundesdurchschnitt“, sagt Klaus Müschen vom Umweltsenat. Sich nun auf die sinkenden Preise einzustellen, sei „schlicht und einfach“ das Problem der Berliner Solaranlagen- Hersteller.

Das Prinzip des Fördermixes wird von vielen Solarexperten akzeptiert, doch die Praxis der „Solarstrombörse“ ist umstritten. Denn die fallenden Preise treffen vor allem die kleinen Solarfirmen, darunter viele Ein-Mann-Betriebe, die an der Grenze zur Selbstausbeutung arbeiten. „Das sind Leute, die die ganze Vorarbeit geleistet haben und seit Jahr und Tag einen 18-Stunden-Tag runterreißen – jetzt werden die einfach von Quereinsteigern verdrängt“, bemängelt Gotthard Schulte Tigges vom Verein zur Förderung der Solarenrgie. Die Solarstrombörse erinnere zudem eher an ein anonymes Bieterverfahren, wie im Bauwesen üblich, als an eine transparente Börse, sagt Thomas Hielscher von der Solarschule Berlin. Bei der Bewag verweist man auf die Vorteile der neuen Regelung: „Im Gegensatz zur kostendeckenden Vergütung freuen sich die Kunden, daß sie den Zuschuß bar auf die Hand bekommen“, so Clemens Fischer von der Bewag.

Rainer Kasper, Geschäftsführer der EnergieBISS, einer der ältesten Berliner Solarfirmen, hat kürzlich Konkurs angemeldet und mußte seine 32 Mitarbeiter entlassen. Der Anfang vom Ende: Mit einem Angebot von 81 Pfennig pro Kilowattstunde fiel die EnergieBISS bei der ersten Solarstrombörse durch – „es hieß, daß am Anfang der Börsenfall nicht eintreten würde“, rechtfertigt sich Kasper.

Doch auch eine kurzfristige Förderung hätte seine Firma nicht mehr gerettet. Kasper hatte ganz auf das Versprechen von der „Solarhauptstadt Berlin“ gesetzt, das Umweltsenator Strieder so gerne im Munde führt. „Das Ziel war ja auch schon greifbar nahe“ – so hatte das Abgeordnetenhaus bereits im Herbst 1995 beschlossen, die „Solaranlagenverordnung“ einzuführen, die einen Anteil von 60 Prozent Solarenergie bei der Warmwassererzeugung in Neubauten vorsieht. Doch wegen der Widerstände der Bauwirtschaft ist auch die letzte Frist, die der Umweltsenator der Industrie bis Ende Juni gesetzt hatte, verstrichen, ohne daß eine Vereinbarung getroffen wurde. „Wenn ich gewußt hätte, daß es alles so lange dauert, hätte ich die Belegschaft viel eher reduziert“, sagt Kasper. Dennoch will er dem Umweltsenat keinen Vorwurf machen: „Strieder und die Bewag versuchen wenigstens, etwas zu verändern.“ Das Problem sei vielmehr, daß der Berliner Solarmarkt noch zu klein ist. „Wir brauchen ein bundesweites Markteinführungsprogramm – die Bundesregierung muß hier ein Zeichen setzen.“