Schriften zu Zeitschriften
: Die „Bäckerblume“ für den Kunstfreund

■ Monatlich und umsonst: „Die Kunstzeitung“ erfreut Publikümer

Gerade habe ich sie weggeworfen. Sie ist im Papierkorb gelandet, die Kunstzeitung vom Regensburger Verlag Lindinger + Schmid, die monatlich in einer Auflage von 200.000 Exemplaren erscheint und umsonst ist.

Kostet nix, und steht auch nicht viel drin. Ein berühmter Museumsmann aus Bremen schreibt: „Die Mischung aus Information, Gossip und Meinung macht Vergnügen und erfreut sich auch mehr und mehr der Gunst unserer Publikümer.“ Der muß es wissen, der Museumsmann. Genau über ihm hat Bäckermeister R. aus Ludwigshafen seinen Quark zum besten gegeben und ein Bildchen gemalt: „1 Konditor-Groteske, die ich vor 35 Jahren entworfen und aus Marzipan modelliert habe. Jetzt bin ich Opa und Rentner (77).“ Kunst goes Kuchen! Wahrscheinlich hat der Bäckermeister R. – lange bevor der Kunstkritiker Thomas Wulffen seine elitären Tips verteilte („Ein unglücklicher Künstler kann ein begnadeter Bäcker sein“, Zitty 6/97) – das Metier gewechselt. Entgegen aller Künstlerbräuche ist er ganz früh aufgestanden, backt mit Kunsthonig und liest am Feierabend die Kunsthonigzeitung.

Steht immer mal was drin über die Herren Immendorf und Lüpertz. Die Kunsthonigzeitung bringt auch dauernd Fotos von Galeristen, die aussehen wie Möllemann oder Solms: „Galerist bin ich aus Liebe zur Kunst geworden“, so der Tenor einer Umfrage zum Berufseinstieg unter neunzehn Galeristen. Sehr interessant! Über den toten Kippenberger weiß Herr Schmid, der einmal Redakteur bei Art war, zu berichten: „Ein paar warme Schenkel und/oder eine kalte Flasche Schampus lagen für ihn, den Charmeur auf Abruf, schließlich immer irgendwo bereit.“ Ja, Herr Schmid, so sind wir Männer, lieben Alkohol und/oder Männer ... oder hatten Sie an Froschschenkel gedacht, und Ihre Bäckerblume ist womöglich der neue Gault Millau?

In der Kunsthonigzeitung schreiben die Großen, etwa Heiner Stachelhaus, der mit einer elendigen Beuys-Biographie bekannt wurde, über die großen Alten: über Jasper Johns, über „Vater“ Willem de Kooning, den „Trickser“ Vasarely oder Joseph Beuys, den mit der Kunst-, ähm, Honigpumpe.

Für Lindinger + Schmid wird man erst ab 45 so richtig interessant, will heißen, da macht sich der Aufwand in Anzeigen bezahlt. Die Mai-Ausgabe zeigt folgende Oldies (50+): Lüpertz, Newton, Kabakov, Rainer, Van-der-Grinten-Brothers, 2 x Beuys, de Kooning, Vasarely, Jasper Johns, Springer, Werner, Nothhelfer, Rebecca Horn, Soulages, Nauman, Gerz – ich hör' ja schon auf.

Nun will ich nicht behaupten, nur junge Künstler seien gute Künstler, aber Geld und Vitamin B stehen nun mal verstärkt hinter den Arrivierten. Die Kunstzeitung ist ein Anheizer. Hätte ich Kohleheizung, wäre sie gut zum Feuermachen, aber ich hab' Gas. Die Kunsthonigzeitung will den Kunstmarkt anheizen, und wer Anzeigen für eine Ausstellung schaltet, hat ein Recht, im redaktionellen Teil erwähnt und vielleicht sogar gefeiert zu werden. In der erwähnten Mai-Ausgabe sind das Arnulf Rainer, die Van-der-Grinten-Brothers, Udo Lindenberg, Claudia Schink, Pierre Soulages ... ich hör' wieder auf, es ist öde.

Zuletzt wollte Catherine David Herrn Schmid albernerweise nicht zur Pressekonferenz der documenta X zulassen: Er habe in seiner Kunsthonigzeitung „unseriös und zum Teil auch bewußt falsch berichtet“. Das heißt genau das und bedeutet nicht, daß Kritik, Opposition, Haltung, Debatte oder Auseinandersetzung die Sache der Kunstzeitung wäre. Es geht um Verbindungen, who is who. Es geht um Seilschaften, nicht darum, sie zu hinterfragen.

Ich weiß nicht so recht, was ich mit der Zeitung, die aussieht wie die Märkische Allgemeine, anfangen soll. Ich bin nicht mal froh, daß die Kunstzeitung umsonst ist. Würde sie was kosten, müßte sie was leisten. Dann würde ich gern gut Recherchiertes lesen, ich wüßte gerne mehr über die soziale Situation von Künstlern und Kunstvermittlern, darüber, wie Preisentscheidungen zustande kommen. Und darum rufe ich der Kunsthonigzeitung zu: „Kunsthonigzeitung, Ihr seid peinlich und zu gerissen, zu FDP, zu sehr für die, die es nicht besser verdienen.“ Auch wenn Frau Walter aus Z. schreibt: „Ich bin begeistert“ – so geht das nicht weiter: „Bleibt keine kostenlose Bäckerblume, werdet teuer und kritisch und seid – um mit dem Dichter zu sprechen – Kunst, nicht Kunsthonig im Getriebe der Welt!“ Peter Funken

Alle Zitate aus der „Kunstzeitung“ vom 9. Mai 1997