Geld für Flutopfer

■ Polens Parlament beschließt Gesetze zur Entschädigung von Betroffenen

Warschau (taz) – Polen trauert. Die Hochwasserkatastrophe hat bereits 48 Menschen das Leben gekostet. Mit jedem Tag steigt die Zahl weiter. Auch morgen, so die Wettervorhersage, soll es wieder regnen. Ganz Südpolen hat sich innerhalb weniger Tage in eine gigantische Schlammwüste verwandelt. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Die Verzweiflung der Menschen in Südpolen hatte die Regierung in den ersten Tagen des Hochwassers wenig gerührt. Am 8.Juli erklärte Ministerpräsident Wlodzimierz Cimoszewicz gar im Fernsehen, daß die Bauern selbst daran schuld seien, wenn sie nun vor dem Nichts stünden. Sie hätten sich ja versichern können. Die Regierung habe für sie kein Geld. Das Reservebudget reiche gerade für die Instandsetzung der Infrastruktur.

Erst in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag konnte der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, ein Paket von 22 Gesetzen beschließen, das die Regierung auf dringende und wiederholte Aufforderung des Sejm vorbereitet hatte. Sollte das Wasser in den nächsten Tagen wieder dramatisch steigen, kann die Regierung nun den Ausnahmezustand verhängen. Das novellierte Ausnahmerecht gesteht den Bürgern mehr Rechte zu, legt dafür dem Staat mehr Pflichten auf. Im Ausnahmezustand könnte die Regierung Menschen, die sich weigern, ihre vom Hochwasser bedrohten Häuser zu verlassen, mit Gewalt evakuieren. Sie hätte dann aber die Pflicht, die verlassenen Häuser zu schützen. Zur Zeit kümmert sich niemand um die Geisterstraßen und -dörfer. Plünderer sind unterwegs und rauben alles, was sich wegtragen läßt.

Auch das Budget wurde in der Nachtsitzung neu beschlossen. Jede von Überschwemmung betroffene Familie wird eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Zloty (rd. 1.600 Mark) erhalten. Darüber genehmigten die Abgeordneten ein umfangreiches Hilfsprogramm für die Hochwasseropfer.

Dennoch ist der politische Schaden für die Regierung enorm. Der Warschauer Gesellschaftspsychologe Prof. Janusz Czapinski geht davon aus, daß die zunächst an den Tag gelegte Arroganz der Regierung die Parlamentswahlen im September beeinflussen werde. Die Postkommunisten müßten mit Stimmenverlusten von bis zu acht Prozent rechnen. Das werde sie die Macht kosten. Gabriele Lesser