„Zinksärge für die Rückkehr“

■ Anschläge auf internationale Organisationen in Bosnien häufen sich. Nato will Jagd auf Kriegsverbrecher fortsetzen

Sarajevo (taz) – Den Mitarbeitern der internationalen Organisationen in Bosnien-Herzegowina ist nicht mehr wohl zumute. Denn seit am Dienstag letzter Woche SFOR- Soldaten zwei mutmaßliche Kriegsverbrecher in Prijedor gefangengenommen haben, häufen sich Anschläge und Übergriffe von seiten radikaler Kräfte der bosnischen Serben auf das internationale Personal. Es scheint sich um koordinierte Aktionen zu handeln.

Gestern wurde auf die Wohnung eines UNO-Polizisten in Gradinska, 50 Kilomter von Banja Luka, ein Bombenanschlag verübt. Der Beamte blieb unverletzt. In der Nacht zu Freitag explodierte eine Granate in einem Haus der internationalen Polizeikräfte IPTF in Bosanska Gradiska. Es entstand hoher Sachschaden. Am Donnerstag erschütterten drei Explosionen den Parkplatz der Nato-Vertretung in Banja Luka. In Brčko gingen in der Nacht zum Donnerstag beim Büro der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vier telefonische Bombendrohungen ein.

Ein Soldat der internationalen Streitmacht SFOR erlitt am Mittwoch Verwundungen an der Schulter, nachdem er von einem Bauern mit einer Sense angegriffen wurde. In der Nähe eines Büros der internationalen Polizeikräfte IPTF in Banja Luka explodierte am Mittwoch eine Granate. Überall entstanden Sachschäden, Personen waren jedoch nicht betroffen.

Obwohl die Sprecher der internationalen Organisationen die Ereignisse herunterspielen wollen, wird es manchen Mitarbeitern vor Ort mulmig. Viele werden nämlich auch persönlich unter Druck gesetzt. So werden sie zum Beispiel von Unbekannten darauf angesprochen, daß man schon wisse, für welche Organisation sie arbeiten und wo sie wohnen.

„Unsere Chefs diskutieren nur noch Sicherheitsfragen“, sagt ein Mitarbeiter der OSZE. Die Mitarbeiter der Organisationen sollen nachts nicht mehr durch die serbischen Gebiete fahren und möglichst nicht alleine unterwegs sein. Sie sollen alle Vorsichtsmaßnahmen treffen, ohne die Arbeit zu vernachlässigen. Nach den Drohungen in Brčko wurde sogar die Schließung des Büros erwogen.

Bei der Nato werden die Ereignisse sehr ernst genommen. General Clarke, Kommandeur der Nato-Truppen Europa-Süd, ließ gestern in Sarajevo keinen Zweifel daran, daß die Nato als Bestandteil der SFOR-Friedenstruppen weiter an dem eingeschlagenen Kurs in bezug auf die Verhaftung der Kriegsverbrecher festhalten wird. Niemand könne die Nato einschüchtern, sagte der General. Dabei bezog er sich offenbar auf einen Brief, der den SFOR-Friedenstruppen zugespielt wurde. In ihm wird mit „Zinksärgen für die Rückkehr“ von Soldaten der Friedensstreitmacht gedroht. Der Brief ist von der im I. Weltkrieg aktiven serbischen Terrororganisation „Die schwarze Hand“ unterzeichnet. In der SFOR wird vermutet, eine Gruppe von demobilisierten Offizieren der bosnisch-serbischen Armee sei Urheber des Pamphlets.

Eine Kommission soll jetzt gegen die serbischen Propagandamedien vorgehen. Bosnisch-serbisches Fernsehen und Radio hatten im Zusammenhang mit Anschuldigungen gegen die Präsidentin der Serbenrepublik, Biljana Plavšić, Verunglimpfungen verbreitet. So wurde gemeldet, Plavšić arbeite mit „Negern, Arabern und Mongolen“ zusammen. IPTF-Sprecher Alex Ivanko sagte in Sarajevo: „Diese Inhalte können nur als böse und rassistisch bezeichnet werden.“ Erich Rathfelder