Atomgesetz ist noch zu kippen

Ein Gutachten bestätigt die Zustimmungspflicht des Bundesrats zu Merkels Atomrechtsnovelle. Endlager Morsleben erneut blockiert  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Die beiden Eingänge des Endlagers Morsleben waren gestern wieder von 20 AktivistInnen der Bürgerinitiative blockiert, als erneut zwei Container mit radioaktivem Müll aus Greifswald angeliefert wurden. Die Blockaden der „BI gegen das Endlager Morsleben“ richten sich aber nicht nur gegen die Endlagerung in der salinen Tropfsteinhöhle in Sachsen-Anhalt. Die nach einiger Zeit von der Polizei von der Straße bugsierten AKW-GegnerInnen wollten auch gegen die Novellierung des Atomgesetzes protestieren, die das Kabinett auf den Weg gebracht hat.

Schließlich soll mit der Gesetzesänderung, über die noch der Bundestag beraten muß, auch die eigentlich im Jahr 2000 auslaufende Betriebszeit des von der DDR übernommenem Endlagers um fünf Jahre verlängert werden. Die Verlängerung per Gesetz ist der einzige Weg, um die Atommüllkippe weiter offen zu halten. Im Planfeststellungsverfahren hat das Bundesamt für Strahlenschutz bis heute der sachsen-anhaltinischen Genehmigunsbehörde keine prüfbaren Unterlagen vorgelegt. Eigentlich sollte Morsleben während der Übergangszeit zwischen DDR und BRD nach bundesdeutschen Sicherheitsmaßstäben geprüft werden.

Gegen die Verlängerung der im Einigungsvertrag festgelegten Übergangsfrist hat Sachsen-Anhalt eine Verfassungsklage angekündig. Wie andere rot-grüne Landesregierungen hofft allerdings auch die in Magdeburg das neue Gesetz vorher im Bundesrat zu stoppen. Zusammen mit Schleswig-Holstein will das Land dafür ein Gutachten bei einem Staatsrechtler in Auftrag geben. Dieses solle juristisch untermauern, daß die Novelle der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sagt Willy Vogt, Staatssekretär in Schleswig- Holstein.

In den Augen von Bundesumwelministerin Angela Merkel sind allerdings durch die Gesetzesänderung Zuständigkeiten und „Verwaltungsverfahren in den Bundesländern“ nicht betroffen. Deswegen könne die Atomrechtsnovelle auch ohne Zustimmung des Bundesrates Gesetz werden. Bei allem verbalen Protest gegen das neue Atomrecht halten sich auch SPD- regierte Länder wie Niedersachsen bei der Zustimmungspflicht bisher bedeckt. Diese Frage müsse noch geprüft werde, sagt der Sprecher der niedersächsischen Staatskanzlei. Ein Gutachten wolle man dafür nicht in Auftrag gegen.

Schon 1994 bei der letzten Atomrechtsänderung hatte die SPD-Mehrheit im Rechtsausschuß des Bundesrates eine Zustimmungspflicht verneint. Erst als das neue Atomrecht, das die Dauerzwischenlagerung erlaubte, in Kraft war, klagte Niedersachsen vor dem Bundesverfassungsgericht. Das hat bis heute in dieser Sache nicht entschieden.

Nach einer ersten Prüfung des Merkelschen Entwurfs kommt der Berliner Atomrechtsspezialist Reiner Geulen zu dem Ergebnis, daß die Gesetzesänderung in die Belange der Länder eingreift. Für die Umsetzung des Bergrechts etwa, mit dem der Gorlebener Salzstockbesitzer Graf Bernstorff enteignet werden soll, sind bisher die Länder zuständig. Das Bundesumweltministerium meint allerdings, daß das Bergrecht gar nicht geändert wird. Geändert werde das Atomrecht, und als Behörde für die Enteignung vom Bodenschätzen zum Zwecke des Endlagerbaus sei das Bundesverwaltungsamt vorgesehen. Nach Ansicht von Geulen müssen auch deswegen die Länder zustimmen, weil eine neue Rechtsverordnung zur Umsetzung von EU-Recht vorgesehen ist. Wenn sich Bund und Länder nicht einigen, kann der Bundespräsident das Gesetz schon vor Unterzeichnung vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen.