Willkür statt akademischer Vernunft

■ Die Uni Vechta sollte Modell sein. Nun dreht das neue Aufsichtsgremium durch: Fachbereiche und Demokratie weg

Berlin (taz) – Vechta in Niedersachsen schreibt Universitätsgeschichte. An der dortigen Hochschule wird seit zwei Jahren eines der Reformmodelle gegen die Krise der Universitäten getestet: der Hochschulrat. Das neue Gremium ist mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens besetzt und soll verhindern, was deutschen Universitäten stets Verdruß beschert: Eingriffe des Staats in Uni- Angelegenheiten. Doch die Innovation ging nach hinten los: „Wie der Hochschulrat in die Uni hineinregiert, hätte sich ein Minister nie erlaubt“, berichtet der Lehramtsstudent Sven Mayerhofer.

Das dreizehnköpfige Gremium Hochschulrat fällt sonderliche Beschlüsse. Obwohl es nach seinen Erfindern, wie dem „Centrum für Hochschulentwicklung“ in Gütersloh (siehe Kasten), nur für „strategische Entscheidungen“ zuständig sein soll, kümmert sich der Hochschulrat in Vechta um jede Kleinigkeit. Was die Uni selbst beschließt, läßt den als reines Aufsichtsgremium gedachten Hochschulrat dabei unbeeindruckt. Wenn der Senat der Uni nicht zustimme, werde das Ministerium angerufen.

Den bislang brisantesten Beschluß hatte der Hochschulrat gestern auf der Tagesordnung: die beiden Fachbereiche der Universität mit 1.800 Studierenden sollten kurzerhand aufgelöst werden. Daß damit gleichzeitig alle Mitbestimmungsrechte der Studierenden unter den Tisch fallen, interessierte die Räte wenig. Sie verzogen sich ins Vechtaer Rathaus, um ungestört von 150 protestierenden Lehramtsstudenten tagen zu können. Der Protest nährte sich vor allem aus der Furcht um die Demokratie an der Hochschule. „Ohne Fachbereiche“, klagte der 22jährige Umweltstudent Lars Kuhlmann, „gibt es keine Fachbereichsräte – und keine Mitsprache mehr für uns.“ Damit wäre in Vechta die – eh minimale – demokratische Teilhabe der Studenten beendet.

Denn in den Instituten haben die Studierenden laut niedersächsischem Hochschulgesetz nur beratende Stimme und dies auch nur dann, wenn sie Tutoren sind. „Wenn die das in Göttingen oder Hannover versuchen, brennen die Städte“, glaubt Student Mayerhofer, wenn – wie beabsichtigt – das Vechtaer Modell auch an den großen Hochschulen des Landes eingeführt würde.

In Vechta hofften gestern alle an dem Konflikt Beteiligten auf das segensreiche Wirken von Hans Koschnick. Der ehemalige Bremer Bürgermeister und Mostar-Beauftragte sitzt im Hochschulrat. Er forderte, die 1968 erkämpften Mitbestimmungsrechte nicht aufzugeben. Immerhin setzte er durch, daß eine Studentendelegation ins Vechtaer Rathaus vorgelassen wurde. Auch die Professoren durften erstmals teilnehmen. Ergebnis: Es wird miteinander gesprochen, ehe der Rat über die Fachbereiche befindet. „Ein deutlicher Schritt auf eine Zusammenarbeit“, atmete die Vechta-Professorin Marianne Horstkämper auf.

„Die Lage bei uns ist ganz anders“, sagte der wichtigste Berliner Befürworter des neuen Modells, Hans Meyer, Präsident der Humboldt-Universität. Er hatte kürzlich ein ähnliches Kuratorium „unabhängiger Persönlickeiten“ an seiner Uni durchgesetzt, aber der „Akademische Senat bleibt das zentrale Uni-Gremium“ im Unterschied zum Vechtaer Hochschulrat. In Vechta hatte man dem Hochschulrat die Kompetenzen des Akademischen Senats übertragen. Christian Füller