Fünfzehn Milliarden für zwanzig Minuten

UmweltschützerInnen freunden sich mit einer ICE-Strecke Hamburg-Berlin an – weil der ICE eine weniger umweltschädliche Alternative zum Transrapid wäre  ■ Von Achim Fischer

Der ICE frißt Energie und Landschaft, sagen Umweltorganisationen seit Jahren. Dennoch setzen sich die großen Öko-Verbände und die Grünen für eine ICE-Verbindung zwischen Hamburg und Berlin ein. Aus zwei Gründen: Der ICE verbraucht auf dieser Strecke kaum zusätzliche Fläche. Und: Er wäre eine schnelle und billige Alternative zum wesentlich umweltschädlicheren Transrapid.

Die Bahn AG hat die Schienenstrecke Hamburg-Berlin in den vergangenen Jahren für 3,6 Milliarden ausgebaut. Maximal 160 Kilometer pro Stunde dürfen die Züge auf dieser Strecke fahren – aus rechtlichen, nicht aus technischen Gründen: Auf der Strecke gibt es mehrere „höhengleiche Übergänge“, also Bahnübergänge mit Schranken; nach der Eisenbahnbetriebsordnung dürfen solche Stellen mit maximal Tempo 160 passiert werden. „Von der Trassenführung her wären Geschwindigkeiten von mehr als 200 Stundenkilometern möglich“, erklärt Peter Westenberger, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND).

Die Bahn AG hat aber bereits angekündigt, sie wolle in einigen Jahren zugunsten des Transrapid keine Schnellzüge zwischen den beiden Metropolen mehr anbieten. Um die Bahnverbindung Hamburg-Berlin auf jeden Fall zu erhalten, hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) gemeinsam mit weiteren Verbänden eine Arbeitsgemeinschaft gegründet. „Wir suchen nun nach einem privaten Betreiber“, sagt der BUND-Verkehrsexperte, „es ist sehr interessant, in diesen leergeräumten Markt mit einem günstigen Angebot einzudringen.“

Die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschland nennt Zahlen: Transrapid-KundInnen müßten voraussichtlich mit 60 Pfennigen pro Kilometer rechnen, im Schienenverkehr reichten rund 20 Pfennige. Ein potentieller Betreiber sei aber noch nicht gefunden, sagt Westenberger. Sicher sei nur eins: Die Staatsbahnen im benachbarten Ausland – etwa die Dänische Bahn – werden sich nicht engagieren. „Die wollen der Bahn AG nicht in die Quere kommen.“

Der Arbeitskreis und auch die Bonner Grünen möchten auf der Strecke den ICE verkehren sehen. Heute fährt einmal täglich ein ICE. Er braucht 2 Stunden und 15 Minuten. Ohne Bahnübergänge könnte der ICE in knapp zwei Stunden durchrauschen. Die nötigen Umbaukosten: 400 Millionen Mark – „hoch geschätzt“, sagt Westenberger. Das sei allemal weniger als die – je nach Gutachten – veranschlagten zehn bis fünfzehn Milliarden für den Transrapid.

Die UmweltschützerInnen können die Nachteile des ICE auch deshalb verschmerzen, weil sie auf dieser Strecke längst nicht so gravierend sind wie in anderen Teilen der Republik. Um Steigungen zu mildern und enge Kurven zu vermeiden, ließ und läßt die Deutsche Bahn AG vor allem im hügeligen Süden der Republik breite Schneisen in die Landschaft schlagen.

Zwischen Hamburg und Berlin gibt es die nötige Trasse aber bereits. Nur wenige Kurven müßten entschärft werden. Der Flächenverbrauch sei deshalb „relativ gering“.

Außer der heutigen Verbindung über Wittenberge ist noch eine zweite Strecke möglich: über Hannover nach Berlin. Die Trasse zwischen den beiden Städten wird derzeit zur Hochgeschwindigkeits-Strecke ausgebaut. Vorschlag des BUND: Für eine Milliarde Mark ließe sich auch der Zugverkehr zwischen Hamburg und Hannover (über Uelzen-Stendal) auf ICE-Tempo beschleunigen. Reisezeit nach BUND-Prognose auf beiden Trassen: 82 Minuten bei technisch möglichem Tempo 300. Damit wäre der ICE nur noch 22 Minuten langsamer als der Schwebezug. Die Bahn als künftige Transrapid-Betreiberin aber winkt ab: „Solche Überlegungen bringen nichts, weil wir mit dem Transrapid planen“, so ein Sprecher.