Ein Ehepaar küßt Rosen wach

■ Leidenschaftlich kümmern sich Irene und Herbert Mau um historische Rosensorten

Im Märchen „Dornröschen“kämpft sich der Prinz durch die wuchernden Rosen und küßt die Prinzessin wach. Herbert und Irene Mau aus Oldenburg in Holstein dagegen erwecken längst vergessene Rosen zum Leben. Die Liebe des Ehepaares gilt historischen und längst verschollen geglaubten Rosensorten – und das schon seit 47 Jahren.

Die Leidenschaft wird deutlich, sobald man Haus und Garten der Familie Mau betritt: Rosen, wohin das Auge blickt, im Garten, auf Bildern, Tischdecken, sogar auf dem Kaffeegeschirr. Für Irene Mau ist es damit aber noch nicht genug. Die 67jährige hat Rosen sogar zum Fressen gern. Aus den Blättern der duftenden Schönheiten bereitet sie Rosengelee. „Dazu eignen sich nur alte Rosensorten, die veredelten Sorten haben zuwenig Duft“, erzählt sie bei Kaffee und Bisquitrolle, die natürlich mit Rosengelee gefüllt ist. Bis zu 50 erblühte Rosen braucht sie für einen Liter Gelee, den sie auf der Basis von Apfelsaft, Weiß- oder Rotwein bereitet.

Doch die Rosenliebe von Irene Mau geht nicht nur durch den Magen. Wie Ehemann Herbert sieht auch sie die botanische Seite. Der pensionierte Eisenbahner hat bereits 120 verschiedene Rosensorten kultiviert. Sie füllen mehrere Gärten, darunter auch den Rosengarten der Stadt Oldenburg am Wallmuseum. „Alte Rosen entdeckt man in verwilderten Gärten, an Bahndämmen, an verfallenen Scheunen“, erklärt der 73jährige. „Anders als Edelrosen vermehren sie sich über Wurzelausläufer. Oft ist die Hauptpflanze längst gekappt, aber eine Wurzel drängt immer noch irgendwo ans Licht.“

Zu vielen Sorten gibt es lokale Geschichten, berichtet Herbert Mau. Da gibt es die „Nücheler Ringreiterrose“, mit der die Pferde zum Ringreiten geschmückt wurden, und die „Vogelscheter-Rose“, mit der sich die jungen Mädchen zum Vogelschießen bekränzten. Unterdessen bringt Irene Mau aus dem Garten eine kräftig pinkfarbene Blüte. „Das ist die Rosa offizinalis, unsere erste alte Rose, die wir aus einer Hecke regelrecht befreit haben“, sagt sie mit fast zärtlicher Stimme. „Das war 1950.“Sorte um Sorte zeigt sie, die dunkelrote „Great Western“, „Sanders White Rambler“, eine weiße Kletterrose und die zart rosafarbene „New Dawn“. „Das war 1948 mein Brautstrauß“, erinnert sie sich lächelnd.

Historische Rosen haben eine relativ kurze Blütezeit, sie beginnt im Juni, und Ende Juli ist bei den meisten Sorten schon wieder alles vorbei. Doch das ist für Herbert und Irene Mau kein Grund zur Traurigkeit. Es klingt fast philosophisch, wenn Irene Mau sagt: „Wenn sie blühen, ist es eine solche Pracht – das könnte man gar nicht länger ertragen.“ Eva-Maria Mester