Sind Sie glücklich?
: „Ich versuche, das Beste daraus zu machen“

■ 11 Uhr, Alexanderplatz. Kabelmechaniker, Bereitschaftspolizei, Totschlag. Walter Hennig verkauft den „Straßenfeger“ und ist „eigentlich ganz froh“

„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich jeweils um 11 Uhr abwechselnd auf dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz um.

Der 47jährige Walter Hennig: Ich bin schon froh, daß das Wetter etwas günstiger zum Zeitungverkaufen ist. Um glücklich zu sein, müßte ich endlich mal wieder eine Wohnung und eine Arbeit kriegen. Aber ansonsten bin ich eigentlich ganz froh. Ich bin gesund und kann die Obdachlosenzeitung verkaufen. Seit vorigem Jahr habe ich keine Wohnung. Da blieb mal das Wohngeld weg, und von 780 Mark Arbeitslosenhilfe 485 Mark Miete bezahlen geht ja nicht. Das Sozialamt streckt auch nicht jedesmal das Geld vor, irgendwann wollen sie das wiederhaben, das ist ja kein Geschenkartikel. Aber ich habe jetzt wieder ein festes Dach über dem Kopf. Bekannte haben ein leerstehendes Haus, da passe ich, auf deutsch gesagt, auf, daß keiner die Scheiben einkloppt.

Am glücklichsten war ich 1972, bei der Geburt meines ersten Kindes. Doch wir haben keinen Kontakt mehr. Ich bin damals leider für acht Jahre in den Vollzug gekommen. Ich hatte sogar dreizehn Jahre gekriegt, weil das nicht mein erstes Mal war. Aber wenn mir jemand was wegnehmen will, und ich sage: „Laß das bitte sein, sonst haue ich dir auf die Finger!“, und der nimmt mir das trotzdem weg... na ja, da habe ich ihm eine geknallt. Es war mein Pech, daß ich ihn genau am Kehlkopf getroffen habe. Das war natürlich sein Tod. Man hat mir auch zur Last gelegt, daß ich in drei Jahren Bereitschaftspolizei gelernt haben müßte, was dabei passieren kann. Aber das weiß man doch vorher nicht. Den Job, den ich gelernt habe, gibt's heute wahrscheinlich gar nicht mehr. Ich habe im Kabelwerk Oberspree Drahtzieher gelernt. Mir ging's früher besser. Ich versuche, das Beste daraus zu machen. Barbara Bollwahn

Heute stehen wir auf dem Wittenbergplatz