Böse Briefe an die Sozialämter

■ Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) droht mit dienstrechtlichen Konsequenzen, wenn SozialstadträtInnen nicht spitzeln. Die weigern sich, Illegale zu denunzieren

Der Streit um die Weitergabe von Daten illegaler AusländerInnen an die Ausländerbehörde spitzt sich zu: In einem der taz vorliegenden Schreiben an die SozialstadträtInnen hat Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) die Sozialämter erneut aufgefordert, bevorstehende Termine von sich illegal in der Stadt aufhaltenden AusländerInnen an die Ausländerbehörde zu melden. Laut Böse werde eine bereits im Mai erlassene Anweisung bisher nur „sehr zögerlich oder überhaupt nicht“ umgesetzt.

In seinem Rundschreiben droht Böse den SozialstadträtInnen nun „dienstrechtliche Konsequenzen“ an, wenn sie sich weiterhin weigerten, die Vorschrift umzusetzen. Bis Freitag vergangener Woche sollten die Bezirke der Innenverwaltung mitteilen, wie die Anweisung in den jeweiligen Sozialämtern behandelt werde.

Die Anweisung wurde vom Datenschutzbeauftragten Hansjürgen Garstka heftig kritisiert. Nach dessen Auffassung ist es rechtswidrig, bevorstehende Besuche an die Polizei zu melden. Das Ausländergesetz lasse zwar zu, der Behörde zu melden, wenn ein illegaler Ausländer beim Sozialamt „in Erscheinung“ getreten sei. Jedoch gehe aus dem Gesetz nicht hervor, daß auch der nächste Termin mitgeteilt werde müsse.

Nur 11 der 23 Sozialämter haben bisher auf Böses Rundschreiben reagiert: Während die CDU- SozialstadträtInnen in Spandau, Neukölln, Schöneberg, und Steglitz die Weisung befolgen, verweigern die Sozialämter von Kreuzberg, Wilmersdorf und Charlottenburg die Datenweitergabe. „Ich halte die Anweisung ebenso wie der Datenschutzbeauftragte in Teilen für rechtswidrig und werde sie nicht befolgen“, sagt die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Sozialämter dürften nicht als verlängerter Arm der Polizeibehörden wirken. Mögliche dienstrechtliche Konsequenzen fürchtet sie jedoch genauso wenig wie ihr Kollege Udo Maier (SPD) in Charlottenburg: „Die Drohung der Innenverwaltung läuft ins Leere“, sagt Maier. Auch die bündnisgrüne Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer aus Wilmersdorf wird die umstrittene Anweisung „auf keinen Fall“ anwenden. „Daß es sich hier um eine Rechtswidrigkeit handelt, wurde von unserem Rechtsamt noch einmal bestätigt.“

Schmiedhofer hofft, die Weisung zu Fall zu bringen. Da ein betroffener Ausländer nur schwer gegen die Datenweitergabe klagen kann, wolle sie selbst aktiv werden: „Wenn eine Nachfrage aus der Ausländerbehörde zu einem Vorsprachetermin eines Ausländers kommt, werde ich den Rechtsweg einlegen“, kündigte sie an. Julia Naumann