Abschiebung eines Kindes ins Nichts

■ Innenverwaltung will zwöfjährige Vietnamesin abschieben, obwohl weder deutsche Botschaft noch vietnamesische Behörden Kontakt zu den Eltern haben. Offensichtlich falsche Angaben der Verwaltung

Die Innenverwaltung plant die Abschiebung der zwölfjährigen Vietnamesin H. ins Nirgendwo. Die Eltern des Mädchens sind, anders als die Innenverwaltung behauptet, in Vietnam nicht aufzufinden. Das geht aus einem Schreiben des Auswärtigen Amtes an den Petitionsausschuß des Bundestages hervor, das der taz vorliegt. Daraus geht auch hervor, daß die Innenbehörde offensichtlich falsche Angaben gemacht hat.

Ein Schreiben der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, der Grünen Christa Nickels, beantwortete die Botschaft: „Dem Auswärtigen Amt ist nichts über den Verbleib der Eltern von H. bekannt. Laut einer Auskunft des vietnamesischen Innenministeriums sollen sich die Eltern bereits vor längerer Zeit getrennt haben und unbekannten Aufenthalts sein.“ Damit findet sich in Vietnam niemand, der sich des Kindes annehmen könnte. Der Berliner Grünen-Abgeordneten Ida Schillen, im Berliner Petitionsausschuß mit dem Fall befaßt, sind keine Kontakte der Verwaltung zu anderen Familienmitgliedern oder zu vietnamesischen Behörden bekannt, die sich um H. sorgen könnten. „Es ist nicht erkennbar, daß sich irgend jemand in Vietnam um das Wohl des Kindes bemüht“, meinte Schillen. „Das Wohl des Kindes ist am besten hier gesichert.“

Die Innenverwaltung hatte in der Vergangenheit behauptet, es bestehe eine Verbindung zu den Eltern von H. Die ehemalige Sprecherin von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU), Francine Jobatey, erklärte im April gegenüber der Berliner Morgenpost und der taz, die deutsche Botschaft habe Kontakt mit den Eltern aufgenommen. Diese wollten ihr Kind wieder nach Vietnam zurückholen. Der deutschen Botschaft in Hanoi ist davon nichts bekannt.

Der Sprecher der Innenverwaltung, Thomas Raabe, wollte die Auskunft seiner ehemaligen Kollegin Jobatey nicht kommentieren. „Nach meinen Informationen, die auf dem Stand von Juni sind, hat die Botschaft in Vietnam Kontakt mit den Eltern, die ihr Kind erwarten. Das Kind ist ausreisepflichtig, und wir gehen davon aus, daß es eine kindgerechte Obhut für H. bei ihrer Ankunft in Vietnam geben wird.“ Das Schreiben des Auswärtigen Amtes lag Raabe offiziell noch nicht vor.

Die inzwischen zwölfjährige H. kam vor fünf Jahren nach Deutschland. Hier lebt sie bei ihrem Onkel, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Der Onkel will seine Nichte adoptieren, doch die Verwaltung besteht auf der Ausreise. Das Kind habe keine Aufenthaltsberechtigung, daher sei es ausreisepflichtig, heißt es. Ein erstes Abschiebeverfahren gegen H. war im April ausgesetzt worden, weil die Zwölfjährige als suizidgefährdet galt. Solange sich der Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses mit H.s Fall befaßt, will die Innenverwaltung nicht abschieben. Bereits im Januar hatte Berlin ein vietnamesisches Kind abgeschoben, das bei seinen Großeltern in Vietnam unterkommen sollte. Die jedoch können nicht für sie sorgen. Bernhard Pötter