Frisch, Gesellen, seid zur Hand Von Klaudia Brunst

Eigentlich gestaltet sich das Zusammenleben mit meinen Eltern wider Erwarten recht harmonisch. „Der Generationenvertrag funktioniert eben doch“, frohlockt meine Freundin, wenn meine Eltern fix und foxi am Abend aus unserer neuen Wohnung gestolpert kommen und kaum noch dazu in der Lage sind, sich ihrer Renovieroveralls zu entledigen. Natürlich achten wir penibel darauf, daß sie vor dem Zubettgehen ihre warme Mahlzeit zu sich nehmen. Für größere Auseinandersetzungen bleibt angesichts ihres Engagements aber keine Zeit mehr.

Es ist schon toll, daß die beiden uns bei der Sanierung unserer Altbauwohnung helfen. Wo sonst findet man noch so zuverlässige und preiswerte Handwerker? Trotzdem ist es gelegentlich auch schwierig für mich. Eltern bleiben schließlich Eltern. Weswegen meine Freundin und ich gerne die Gelegenheit nutzen, um uns unter dem Vorwand, die Besorgungen für die Baustelle zu machen, aus dem Hause zu stehlen.

Aber auch die Freiheit des Bauhauses hat ihren Preis. Mein Vater, selbstverständlich unangefochten Bauleiter unserer Unternehmung, neigt dazu, sich in der Beschreibung der notwendigen Arbeitsmittel (und ihres spezifischen Gewichtes) gelegentlich etwas unpräzise auszudrücken. So schickte er uns letzten Samstag los mit der Bitte, „mal eben kurz“ die Fliesen für das Bad zu kaufen und „gleich auch noch den dazu gehörigen Fliesenkleber sowie einen großen Sack Rotband, einmal Zement und Fugengrau“ mitzubringen. Der Bestellzettel war schließlich so lang, daß beim Bauhaus nicht einmal zwei große Einkaufswagen reichten, um den Krempel zur Kasse zu bringen. „Das werden wir nicht in einer Fuhre wegkriegen“, unkte meine Freundin mit Blick auf unseren alten klapprigen Wagen, aber größere Verspätungen konnten wir uns auch nicht leisten. Schließlich darf man seinen Vater nicht ungestraft warten lassen. Als wir dann wirklich die Tonnenlast verkehrssicher verstaut hatten, neigte sich der Corsa zwar bedenklich nach hinten, sprang aber tapfer an und bewegte sich sogar eine Weile ohne Murren fort. Dann aber ergab er sich doch.

In dem geplatzen Reifen steckte ein kapitaler Baunagel, und das Reserverad steckte natürlich unter dem Kofferraum. Als wir unsere gesamten Bauhaus-Schatz auf dem Bürgersteig entladen hatten, war es mit meiner Contenance vorüber. „Ich habe noch nie einen Reifen gewechselt“, jammerte ich ziemlich femmeinistisch, „laß uns meinem Vater anrufen.“ – „Kommt nicht in Frage“, gab meine Freundin zurück, „wir sind doch keine Verbalfeministinnen, die sich am Ende von den Kerlen das Rad wechseln lassen müssen!“ Tatsächlich schaffte sie es, in dieser gottverlassenen Gegend stundenweise einen kleinen LKW zu mieten und den Corsa auf einen Parkplatz zu schieben.

Als wir schließlich mit gewaltiger Verspätung stöhnend und ächzend die Treppe hinaufkrochen, kommentierte mein Vater unsere Erschöpfung nur lakonisch, aber werktreu: „Ja, so ist's recht. Von der Stirne heiß rinnen muß der Schweiß. Schiller.“ – „Herr, die Not ist groß“, zischte meine Freundin mir zu, „die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los.“ – „Goethe“, flüsterte meine Mutter im Vorübergehen. „Aber daß das nicht der Papa hört.“